Impfkampagne Stadt Zerbst kritisiert Landkreis Anhalt-Bitterfeld wegen der Absage von Impfterminen
Die Landkreisverwaltung schickt im Mai keine mobilen Impfteams nach Zerbst. Bürgermeister Andreas Dittmann und die Stadträte reagieren mit Unverständnis.

Zerbst/Köthen
Kopfschütteln in der Runde, als Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) im Hauptausschuss zu Beginn der Woche die Bombe platzen ließ: „Ausgenommen von den Terminabsagen sind lediglich die Termine für die Wahlhelfer. Als Grund gibt der Landkreis an, dass der Impfstoff von Biontech für AstraZeneca-Erstgeimpfte unter 60-Jährige gebraucht werde. Es handele sich nach Aussagen des Landkreises um rund 8000 Personen, denen bei ihrer Erstimpfung AstraZeneca verabreicht wurde und für die nun Biontech zurückgehalten werden müsse.“
Dittmann: „Ich muss sagen, ich habe derartige Meldungen bislang nur von Landkreis Anhalt-Bitterfeld vernommen. Aber Anhalt-Bitterfeld ist ja auch in der Hinsicht auffällig gewesen, dass er mehr Impfstoff für Zweitimpfungen zurückgehalten hat als der Rest des Bundeslandes, was dann wiederum zu Kürzungen der Lieferungen an den Landkreis geführt hat“, ärgert sich der Rathauschef. Er habe dies zum Anlass genommen und mit Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in einer Videokonferenz das direkte Gespräch gesucht. Er habe hinterfragt, ob Anhalt-Bitterfeld ein Sonderfall ist oder ob im Land ein flächendeckendes Problem besteht, das so noch nicht kommuniziert wurde.
Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne sieht keinen Grund für Terminabsagen
Dittmann: „Auf meine Nachfrage erklärte Sozialministerin Petra Grimm-Benne, dass die Zweitimpfung für über 60-Jährige auch weiterhin mit AstraZeneca erfolgen kann und Biontech nur für die unter 60-Jährigen als Zweitimpfung vorgesehen sei. Außerdem gehe man von einer stabilen Versorgung mit Impfstoffen von Biontech aus, auch wenn das Ministerium ebenfalls nur kurzfristige Lieferinformationen erhalte. Für ein Aussetzen von Impfterminen sieht die Ministerin keinen Grund.“
Momentan habe die Stadt Zerbst noch zwei ausstehende Impftermine. „Das heißt, wir können keine weiteren Termine an Bürger vergeben. Alle diejenigen, die sich nach unserem Aufruf, der übrigens erst einmal der letzte war, jetzt noch melden, werden also gegebenenfalls auf Stapel gelegt und warten müssen, bis es neue Informationen gibt und vor allem bis vom Landkreis neue Impftermine vergeben werden“, so Dittmann.
AstraZeneca oder Biontech für Zweitimpfungen?
Landkreissprecher Udo Pawelczyk hatte am Montag mitgeteilt, dass der Landkreis einige geplante Impftermine für Erstimpfungen vor Ort im Kalendermonat Mai absagen beziehungsweise Kürzungen bezüglich der Impfstoffmenge vornehmen müsse. „Das betrifft Impfaktionen der mobilen Teams in den Städten und Gemeinden“, so der Landkreissprecher.
Hintergrund sei die Sicherstellung der Zweitimpfungen für die bereits durchgeführten Erstimpfungen mit dem Impfstoff AstraZeneca, da der Landkreis aktuell nicht vorhersagen könne, ob die mit AstraZeneca erstgeimpften unter 60-jährigen Personen sich bei den anstehenden Zweitimpfungen wieder für den Impfstoff von AstraZeneca entscheiden werden oder auf den Impfstoff von Biontech/Pfizer wechseln.
Für Zerbster Stadträte bleiben viele Fragen offen
Für Stadträtin Nicole Ifferth bleiben viele Fragen offen. „Es sollen 8000 Impfdosen fehlen? Da der Landkreis ja bekanntlich Impfstoff für die Zweitimpfungen reserviert hat, müssten demnach gut 8000 AstraZeneca Dosen frei werden? Was passiert damit? Warum macht man es nicht wie in anderen Kommunen und gibt diese für Impfwillige über 60-Jährige frei?“, fragt sich Ifferth.
Sie habe Zweifel an der Dimension, die angeblich benötigt wird, da die über 60-Jährigen ja auch als Zweitimpfung AstraZeneca erhalten dürfen. Zudem sollen eigentlich die Impfstofflieferungen von Biontech an die EU ausgeweitet werden. „Das passt alles nicht zusammen“, so Ifferth.
Dittmann deutete im Hauptausschuss an, es gehe beim Zurückhalten von AstraZeneca um nicht geklärte Haftungsfragen bei eventuell auftretenden Komplikationen nach einer freiwilligen Impfung: „Und solange dies ungeklärt ist, lässt man AstraZeneca lieber in den Kühlschränken. Ich kann das nur so interpretieren. Wir als Stadt sind Gastgeber und dafür verantwortlich, dass die Impftermine optimal ausgelastet werden – die Verantwortung für die Impfkampagne selbst liegt beim Landkreis“, so Dittmann.
Impfvorsprung wird jetzt zum Nachteil für die Stadt Zerbst
Man habe sich in Zerbst einen Vorsprung erarbeitet, weil man jeden angebotenen Impftermin auch angenommen habe. „So waren wir halt schneller. Und wenn das nicht gewollt gewesen wäre und man sich mit Verhältnisgleichungen auskennt, so hätte man die Impfungen auch nach den Einwohnerzahlen steuern können – hat man aber nicht. Ich denke, an unserem Schulsystem liegt das nicht“, schickt Dittmann einen Seitenhieb in Richtung Köthen.
Abgesagt wurden insgesamt sechs Impftermine. „Dabei handelt es sich um drei Termine in Aken (414 Erstimpfungen) und drei in Zerbst (516 Erstimpfungen)“, schreibt Udo Pawelczyk auf Nachfrage. Außerdem seien für zehn weitere Impftermine die Erstimpfungen reduziert worden.
Was passiert mit AstraZeneca im Landkreis Anhalt-Bitterfeld?
Zu den Zweitimpfungen stellt Pawelczyk klar: „Es geht um Personen unter 60 Jahre, die beginnend ab Februar erstmalig mit AstraZeneca geimpft worden sind. Dabei handelt es sich vorwiegend um medizinisches- und Pflegepersonal. Es geht also nur um diesen Personenkreis.“ Bei der Erstimpfung dieser Personen sei klar gewesen, dass sie auch zur Zweitimpfung AstraZeneca bekommen. „Die Entscheidung fiel jedoch viel später, AstraZeneca nur noch über 60-Jährigen zu verabreichen“, so Pawelczyk.
Für wie viele Impfungen AstraZeneca beim Landkreis auf Halde liegt und ob es Termine für Freiwillige gibt, die sich mit AstraZeneca impfen lassen wollen, diese Fragen blieben unbeantwortet.