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Kreistag ließ sich freiwillig prüfen / Resultat kann Intention nicht erfüllen Stasi-Mitarbeit bleibt unerkannt

Von Thomas Drechsel 20.06.2013, 01:10

42 Anhalt-Bitterfelder Kreistagsmitglieder haben sich freiwillig einer Überprüfung auf Mitarbeit für die ehemalige Staatssicherheit der DDR unterzogen. Der Kreistag hat 54 Mitglieder.

Köthen/Zerbst l Durchweg negativ verlief die Überprüfung von insgesamt 42 Kreistagsabgeordneten auf Mitarbeit für den ehemaligen Staatssicherheitsdienst der DDR. Darüber informierte Ende Mai der Kreistagsvorsitzende Paul Lindau. Wie schon während seines Zwischenberichtes im Herbst 2012 nannte er keine Namen. Die Volksstimme schrieb jedes Kreistagsmitglied separat an mit der Bitte anzugeben, ob sie sich freiwillig haben überprüfen lassen oder nicht und welche Gründe es dafür gab.

"Selbstverständlich habe ich mich überprüfen lassen" , antwortete Ronald Mormann (SPD). Dies sei schon x-mal erfolgt. "Und das ist auch gut und richtig so! Der Wähler soll und muss unbedingt wissen, wen er sich dort eingebrockt hat, wer ihn regiert. Ich habe jedes Mal bei einer Überprüfung die Hoffnung, dass noch mehr zu meiner damaligen Bespitzelung gefunden wird. Insbesondere in Anbetracht mehrerer hundert Seiten der Opferakten meiner Eltern und deren 14 IM\'s, die sie 28 Jahre lang bespitzelt haben. Für mich verjähren die Stasiverbrechen auch solange nicht, wie die Folgen der erduldeten Repressalien den lebenden Generationen immer noch anhängen."

Christine Vogel (CDU) erklärte, sie habe sich "überprüfen lassen, nicht zum ersten Mal und bisher immer ohne Ergebnis. Mich stört allerdings sehr, dass die NPD dieses Thema ,reitet\', und für mich ist dies fast Anlass gewesen, einer erneuten Überprüfung nicht zuzustimmen. Was bitte sagt ein Ergebnis, ähnlich ,Mitarbeit in der Stasi\', heute, 23 Jahre nach der Wende aus? Jeder 1989 lebenslänglich Verurteilte ist heute wieder auf freiem Fuß. Und für genau diesen Rechtsstaat bin ich 1989 mit auf die Straße gegangen. Wenn ich unsere Kultur als christlich begründet bewerte, dann ist eine unserer größten Aufgaben die Vergebung. Und wenn es jemand schafft, trotz einer Stasi-Tätigkeit in einem demokratischen System heute wieder gewählt zu werden, gehört es für mich selbstverständlich dazu, diesen Menschen für dieses Wahlamt wert zu schätzen. Ich unterstelle der NPD, dass sie Menschen, denen eine Stasi-Tätigkeit bescheinigt wird, öffentlich anprangern wollen. Und um sich genau davor zu schützen, lässt sich nicht jeder überprüfen. Ich halte das für menschlich nachvollziehbar, schließlich existieren auch hier Familien, die betroffen wären. Und an solch einer öffentlichen Hatz möchte ich auch nicht beteiligt sein."

Lars-Jörn Zimmer (CDU) hat sich überprüfen lassen, "denn ich habe nichts zu verbergen". Für Simone Schmidt-Ramsch (SPD) ist die Überprüfung eine Selbstverständlichkeit und "ich bin es den Wählern schuldig". Dr. Lothar Seibt (FDP): "Nach meinem Verständnis haben Leute, die Mitbürger heimlich bespitzelt haben, nichts in einer demokratisch gewählten Volksvertretung zu suchen. Wer diese eklige Arbeit offiziell gemacht hat und dies in seiner Vita aufführt, kann sich natürlich dem Wähler stellen und ein Mandat erhalten."

Überprüfen lassen haben sich auch Paul Lindau (CDU), Konrad Kinzel (SPD), Mario Rudolf (Freie Wähler), Carola Holz und Andreas Köhler (beide NPD). Kees de Vries wies darauf hin, dass er erst nach 1990 Deutscher wurde, folglich eine Überprüfung sinnlos sei. Gleiches gilt für Kreistagsmitglieder, die 1990 jünger als 18 Jahre waren.

Kreistagsvorsitzender Lindau erklärte gestern erneut, er habe aus Datenschutzgründen keine Namen nennen dürfen. Zwölf von 16 CDU-Mitgliedern, neun von elf SPD-Mitgliedern plus zwei Nachrücker, zwei von elf Linken plus zwei Nachrücker, alle vier FDP-Mitglieder, zwei von vier Mitgliedern der Wählerliste Sport sowie jeweils beide Mitglieder der Initiative für Wolfen, der Grünen, der NPD und Pro Wolfen/Kommunal Aktiv stimmten einer Überprüfung zu.