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Naturschutz Studierende der Hochschule Anhalt erforschen und markieren Habitatbäume im Hohen Fläming

Projekt der Hochschule Anhalt in Kooperation mit dem Landesforstbetrieb Anhalt im Revier Hoher Fläming

Von Petra Wiese 07.05.2021, 03:30

Hoher Fläming

Es gibt eine Vielzahl von Projekten, die in Kooperation mit dem Landesforstbetrieb Anhalt durchgeführt werden. Der Naturschutz ist dabei fest im Gesamtkonzept der ökogerechten und nachhaltigen Waldbewirtschaftung integriert, sowohl in Schutzgebieten wie in Wirtschaftswäldern. Da finden Greifvögel genauso Beachtung wie die Wölfe, strukturreiche Waldränder oder der Erhalt von Totholz.

Im März und April wurde den Habitatbäumen hohe Aufmerksamkeit gewidmet, solchen Bäumen, die besonders vielen Arten einen Lebensraum bieten. 13 Studierende der Hochschule Anhalt durchstreiften unlängst das Waldgebiet Bärenthoren im Revier Hoher Fläming. In drei Gruppen waren die jungen Leute jeweils neun Tage von morgens bis abends unterwegs – mit offenen Augen und Ohren.

Hauptfokus auf Schwarzspecht

Systematisch suchte jede Gruppe 1000 Hektar Wald nach Baumhöhlen ab. Das Hauptaugenmerk war dabei auf den Schwarzspecht gerichtet, der besonders große Bruthöhlen baut. Entsprechende Habitatbäume, die auch anderen Tieren als Lebensraum dienen, wurden gekennzeichnet und die GPS-Koordinaten erfasst.

Nach der Bestandsaufnahme kam eine Gruppe der Studierenden, begleitet von Dr. Friederike Zinner, Dozentin der Hochschule Anhalt im Studiengang Naturschutz und Landschaftsplanung und Projektleiterin, vor Ort zusammen mit dem Betriebsleiter vom Forstbetrieb Anhalt, Adrian Feldmann, und dem Revierleiter im Hohen Fläming Toren Reis, um über Erfahrungen und Ergebnisse zu sprechen.

Mit dabei war auch der Dessauer Ornithologe Hartmut Kolbe, den Toren Reis als „gute Seele, was die Habitatbäume im Revier angeht“, bezeichnete. Kolbe war es, der 2015 anfing, in seiner Freizeit die Baumhöhlen im Revier zu registrieren. Bei dieser Ersterfassung vor sechs Jahren wurden mehr als 100 Baumhöhlen gekennzeichnet.

Blaue Wellen markieren die besonderen Bäume

Nun war es quasi Aufgabe der Studierenden, diese und noch weitere Schwarzspechthöhlen aufzunehmen. Über 200 kamen hinzu, so dass von 300 bis 350 Baumhöhlen und damit Habitatbäumen in dem 3000 Hektar großen Gebiet die Rede ist. Blaue Wellen an den Bäumen ziehen sich jetzt durch den Wald - ein auffälliges Zeichen, das dem ein oder anderen Wanderer wahrscheinlich Rätsel aufgibt, aber den Forstleuten anzeigt, dass der gekennzeichnete Baum stehen bleiben soll.

Der Bewirtschafter verzichtet darauf, diese Bäume zu fällen. „Sie sind save“, sagt Toren Reis. Wenn bei zweieinhalb bis drei Millionen Bäumen 300 aus der Bewirtschaftung rausfallen, sei das zu verkraften. Deshalb durfte sich auch jeder der Studenten zusätzlich zwei „eigene“ Habitatbäume, die noch ohne Höhlen sind, auswählen und mit der blauen Welle sichern.

Ein Netz aus alten Bäumen wird somit erhalten. Als Hotspots der Artenvielfalt sind diese Habitatbäume zu betrachten. Einer Vielzahl von Tieren, Pflanzen und Pilzen bieten sie Lebensraum. Höhlen, Wucherungen, Rindentaschen, Ast- und Kronenabbrüche sind Mikrohabitate.

Forstwirtschaft und Naturschutz in Harmonie

Forstwirtschaft und Naturschutz wollen hier die gleiche Sprache sprechen. Ein neues Miteinander, wo bislang der Bewirtschafter beschuldigt wurde, einfach alles abzuholzen, und der Naturschutz dem Vorwurf von Totalverboten durch Käseglocken ausgesetzt war. Natur- und Artenschutz soll integrierter Bestandteil der Waldbewirtschaftung auch jenseits der Schutzgebiete sein, so das Ziel des Projektes. Ein alter Gedanke, der jedoch hier in die Praxis umgesetzt wird. „Je höher die Artenvielfalt, desto widerstandsfähiger sind auch die Wälder“, macht Dr. Friederike Zinner deutlich. Da seien auch Kleinstrukturen wichtig.

„Es war am Anfang gar nicht so einfach, die Schwarzspechthöhlen zu finden“, erzählt Inka Mase. Doch nach einiger Zeit wurde es immer leichter, die Vögel zu erkennen. „Das lernt man nur in der Praxis“, ist die Studentin aus Köthen überzeugt.

Hartmut Kolbe ließ sich berichten, welche anderen Vögel und Tiere noch beobachtet wurden. Annabell Wolf zählte Kleiber, Buntspecht und Kleinspecht auf. Auch auf den Waldkauz waren die Studis gestoßen. Nicht ganz ungefährlich war die Begegnung der drei jungen Damen, die als eine Gruppe unterwegs waren, mit Wildschweinen. Sie seien regelrecht über die Frischlinge gestolpert.

Draußen sein ist besser als im Hörsaal

Im vierten Semester ihres Studiums Naturschutz und Landschaftsplanung am Hochschulstandort Bernburg sind die Studierenden, die das Projekt durchführen. „Ich fand das Thema Wald sehr interessant“, so Annabell Wolf, die aus Zerbst kommt. Sie wollte es nicht bei der Theorie der Vorlesungen belassen, sondern die Praxis erleben, weshalb sie sich für das Projekt entschied.

Draußen zu sein, sei viel besser als Folien in der Vorlesung, sagt auch Franziska Böltzig, die aus dem Saalekreis stammt. Viel einprägsamer sind die Erfahrungen. Viele Informationen bekamen die jungen Leute auch von Toren Reis vor Ort übermittelt.

Nach der abgeschlossenen Geländeerfassung wird nun in einer Projektarbeit alles zusammengefasst und ausgewertet. Im Wald waren die Studierenden mit dem Handy zu Gange. Eine App stand zur Verfügung. Da konnten die GPS-Punkte der Bäume auf einer Karte gesetzt werden. Außerdem mussten weitere Daten/Merkmale eingegeben werden, wie Baumart, Höhe der Höhle, Ausrichtung und mehr.

Gemeinsames Interesse an den Wäldern

Alle Beteiligten bekundeten sogleich Interesse an einer Fortsetzung des Projektes. Eine Kontrolle der Baumhöhlen und die Aufnahme neuer Bäume macht Sinn, findet Toren Reis. Das Ganze sei in Bewegung, denn neue Höhlen entstehen und andere stürzen um, bestätigt Dr. Friederike Zinner. Da müsse man dran bleiben. Auch wäre eine unterschiedliche Ausrichtung des Projektes oder eine Ausdehnung in benachbarte Reviere denkbar.

Derweil kann sich der Revierförster auch vorstellen, Studenten aus dem Naturschutz mit Studierenden der Forstwirtschaft zusammen zu bringen. Schließlich gibt es ein gemeinsames Interesse an den Wäldern.