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Gestern war Weltdrogentag / Cornelia Pfeffer: Suchtberatung ist vor allem Vertrauenssache

Von Judith Kadow 27.06.2011, 04:46

Zerbst. 137 Suchtkranke, darunter 33 Frauen, suchten im Jahr 2010 die Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werkes Bethanien in Zerbst auf. 137 Schicksale, die gegen verschiedenste Süchte kämpfen - Alkohol, Drogen, Spielsucht ... Doch die Anlaufstelle ist bedroht, der Landkreis Anhalt-Bitterfeld hat die Verträge mit dem Träger gekündigt (Volksstimme berichtete).

"Damit ist die Zukunft nicht nur für mich unsicher, sondern vor allem für all die Männer und Frauen, die derzeit hier in Behandlung sind", sagt Suchtberaterin Cornelia Pfeffer, seit vielen Jahren die Ansprechpartnerin für Süchtige und Angehörige. Wie es weiter geht: Sie weiß es nicht. Und das, nachdem die vergangenen Jahre nicht einfach waren. Bereits die Kreisgebietsreform verändert die Struktur der Suchtberatung. Mit der Aufsplitterung des Kreises Anhalt-Zerbst ging sie zum 1. Juli 2008 von der Trägerschaft der Diakonie Zerbst in die des Diakonischen Werkes Bethanien. "Damit fielen auch Beratungsgruppen weg, die ich zuvor aufgebaut hatte. Ich musste sie wieder neu aufbauen", erinnert sich Pfeffer. Die Zerbster Beratungsstelle ist als Außenstelle der Köthener Beratungsstelle angelegt. "Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem die neuen Strukturen gefestigt sind, ich habe drei Gruppen aufgebaut und es läuft. Und nun droht wieder das Aus."

Ein Stück weit schwingt Hilflosigkeit in den Worten mit - und die Sorge um die hiesigen Betroffenen. "Der Weg zur Suchtberatung ist angstbesetzt und mit Schamgefühl", spricht Pfeffer aus Erfahrung. Ein persönlicher Ansprechpartner sei wichtig. "Zumal sich auch in anderen Landkreisen die Wahl freier Träger für die Suchtberatung bewährt hat." Beispielsweise kann Cornelia Pfeffer vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. "Wie soll ich sonst Vertrauen zum Klienten aufbauen, wenn ich die mir anvertrauten Dinge vor Gericht oder bei der Polizei erzählen muss?"

Sollte die Beratungsstelle 2012 wegfallen wäre das "ein herber Einschnitt für Zerbst", schätzt Pfeffer ein. "Allerdings hat die soziale Arbeit keine Lobby." Kürzungen in diesem Bereich sind nicht selten. "Es wird am schwächsten Glied gespart. Wenn es Menschen wären, die sich lauthals wehren könnten, wären sie nicht hier."

Dabei spiegeln die Fakten die Bedeutung der Beratungsstelle wider. Im Bereich der Nachsorge konnte Pfeffer eine stabile - also gefestigte - Gruppe bilden, die sich im 14-tätigen Rhythmus trifft. Im Regelfall findet mit den Betroffenen einmal wöchentlich ein Einzel- und in der Woche danach ein Gruppengespräch statt. "Darauf bin ich sehr stolz. In dieser Gruppe stimmt die Chemie. Sie stützen sich gegenseitig. Darin sind Drogensüchtige, Alkoholiker und beispielsweise eine Spielsüchtige." Jene Gruppenteilnehmer haben ihre Therapie bereits abgeschlossen. Des Weiteren existieren eine Eltern- sowie eine Führerscheingruppe.

Menschen jeden Alters, Frauen wie Männer, Führungspersonal oder sozial Schwache besuchen die Suchtberatungsstelle. "Hier dominiert nach wie vor die Alkoholsucht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir in einer ländlichen Region wohnen", sagt Cornelia Pfeffer. Bei 92 Klienten 2010 lautete die Diagnose Alkoholismus. 38 Männer und Frauen waren süchtig nach Drogen und anderen Suchtmitteln. "Einmalkommer werden in der Statistik nicht erfasst", fügt Pfeffer hinzu. Dann würden die Zahlen wohl noch deutlich höher ausfallen.