1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Zur Neutralität verpflichtet

Wahl Zur Neutralität verpflichtet

Ist der Zerbster Amtsbote neutral? Zumindest im Weihnachtsgruß des Bürgermeisters sehen Kommunalpolitiker die Neutralität verletzt.

Von Thomas Höfs 29.01.2019, 00:01

Zerbst l Gleich nach den amtlichen Mitteilungen wünschte Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD) den Einwohnern ein besinnliches Weihnachtsfest und ein friedfertiges 2019. Dabei zog er noch einmal eine Jahresbilanz. Doch zwei Sätze fielen dabei auf: „Zu den Herausforderungen des Jahres 2019 zählt für mich persönlich natürlich die bevorstehende Bürgermeisterwahl. Gern würde ich dieses Amt mit Ihrer Unterstützung fortführen“ heißt es da.

Stadtrat und Ortsbürgermeister Thomas Wenzel (FFZ) fielen die Sätze beim Lesen sofort auf. „Das ist für mich Wahlbwerbung“, sagt er. Er frage sich nun, wann die anderen Bewerber ebenso einen Platz im Amtsboten eingeräumt bekommen und über das Amtsblatt der Stadt in jeden Haushalt gelangen. Auf der kommenden Stadtratssitzung wolle er das Thema ansprechen, kündigte er an.

Es wäre nicht der erste Fall in der Bundesrepublik, bei dem das Amtsblatt zum Thema der kommunalen Debatte wurde. Handelt es sich hier bereits um Wahlwerbung, fragte die Lokalredkation bei Stadt-Sprecherin Antje Rohm nach: „Mit dem jährlichen Weihnachtsgruß richtet sich der Bürgermeister an die Leserinnen und Leser des Amtsboten. Wenn der Amtsinhaber dabei deutlich macht, dass er das Amt weiterführen möchte, ist das keine Wahlwerbung. Das ist auch die Einschätzung der Kommunalaufsicht, die die Textpassage nicht als wahlergebnisrelevante Verletzung des Neutralitätsgebotes ansieht“, teilt sie mit. Gibt es also im Vorfeld der Kommunalwahl keine Wahlwerbung der Bewerber um die Sitze im Stadtrat sowie um die Funktion des Bürgermeisters? „Der für Herstellung und Vertrieb des Amtsblattes abgeschlossene Vertrag sieht vor, dass Leserbriefe sowie Artikel mit parteipolitischen Aussagen jeder Art nicht veröffentlicht werden. Dieses Thema ist bereits auch mehrfach im Stadtrat diskutiert worden. Es gab immer eine Einigung zur bestehenden Festlegung. Also wird es auch keine Wahlwerbung geben. Bezogen auf die Wahlen erscheinen ausschließlich die Bekanntmachungen der Stadtwahlleiterin“, sagt sie weiter. Doch gerade vor Wahlen kommt es immer wieder in der Bundesrepublik zu Diskussionen auf lokaler Ebene über den Inhalt von amtlichen Mitteilungsblättern.

Eine Regelung zu Amtsblättern gibt es in Sachsen-Anhalt nicht. Neben reinen Amtsbälttern, die nur die amtlichen Mitteilungen enthalten, gibt es auch jene, die neben den amtlichen Mitteilungen einen redaktionell gestalteten Bereich enthalten. Unterliegt dieser Bereich der Kontrolle der Kommunalaufsicht? „Das Amtsblatt ist in erster Linie ein öffentliches Bekanntmachungsorgan der Gemeinde. Neben den öffentlichen Bekanntmachungen der Gemeinde können im Amtsblatt, getrennt vom amtlichen Teil, jedoch auch weitere nichtamtliche Informationen für die Bürger aufgenommen werden. Insoweit kommt dem Amtsblatt in seinem nichtamtlichen Teil die Funktion eines Informationsinstruments der Gemeinde für die Einwohner zu. Hinsichtlich der Beiträge im nichtamtlichen Teil des Amtsblatts steht der Gemeinde kein inhaltliches Kontrollrecht zu, etwa auf die Überprüfung der Richtigkeit der in einem Artikel ausgebreiteten Fakten oder der inhaltlichen Vereinbarkeit mit der kommunalpolitischen Auffassung des Bürgermeisters und des Gemeinderates.

Die Gemeinde ist allein für den Inhalt des amtlichen Teiles des Amtsblattes verantwortlich. Einer allgemeinen kommunalaufsichtlichen Kontrolle unterliegt sie hierbei nicht“, teilt Danilo Weiser mit. Der Pressesprecher des Innenministeriums verweist aber auch auf die Neutralitätspflicht der Amtsträger. „Der Grundsatz der Freiheit der Wahl erfordert grundsätzlich von allen mit der Durchführung der Wahlen betrauten Amtsträgern und Organen eine Neutralität während des Wahlverfahrens und insbesondere in der heißen Wahlkampfphase, etwa acht Wochen vor der Wahl.“ Trotzdem müsse für eine Beurteilung immer der Einzelfall betrachtet werden, so Weiser weiter.

Noch befindet sich die Stadt nicht in der heißen Wahlkampfphase. Dennoch hätte sich Thomas Wenzel hier mehr Zurückhaltung gewünscht. Schließlich hätten andere Bewerber die Möglichkeit nicht, im Amtsboten auf ihre Kandidatur hinzuweisen. Außerdem werde der Amtsbote aus öffentlichen Mitteln bezahlt, begründet er seinen Ärger. Immerhin gibt die Stadt für den Amtsboten und den Internetauftritt jährlich rund 58.000 Euro aus.