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Weltflüchtlingstag Aussicht auf bessere Zukunft

Die Afghanin Zahra Amiri und ihre Familie flohen 2015 nach Deutschland. Fünf Jahre später erzählt sie von ihrem schweren Weg nach Zerbst.

Von Julia Puder 20.06.2020, 01:01

Zerbst l Vom Iran mit einem Auto in die Türkei, begleitet von der Angst vor den Polizisten. Vier Stunden Fußmarsch durch das Grenzgebiet. Mit dem Boot nach Griechenland. Kein Essen, kein Schlafplatz. Mit Bus, Zug und zu Fuß bis nach Deutschland. 21 Tage am Stück unterwegs. Diese Reise nahm Zahra Amiri, wie viele andere, gemeinsam mit ihrer Familie auf sich, um ein besseres Leben führen zu können.

Nach fünf Jahren in Deutschland ist die junge Afghanin nun angekommen. Sie hat eine eigene Wohnung, verdient ihr eigenes Geld und spricht fließend Deutsch. Über ihre Geschichte spricht sie offen und ehrlich.

Sie kam 2015 mit der großen Flüchtlingswelle nach Deutschland. „Das Leben im Iran wurde einfach zu teuer“, erzählt die 20-Jährige. Ihr Vater war schwer krank, wodurch sie und ihre Mutter arbeiten mussten. Schon dort wurden sie als afghanische Flüchtlinge ausgegrenzt. Zahra Amiri wollte ihre Schule abschließen und dann studieren. Ein Traum, den sie im Iran nicht realisieren konnte. Ihre Eltern entschlossen sich dazu, für Zahra und ihre zwei kleinen Schwestern in Deutschland die Grundlage für eine bessere Zukunft zu schaffen.

Nach der Erstaufnahme in Halberstadt wurden sie für drei Monate im Flüchtlingscamp in Quedlinburg untergebracht. Eine eindrückliche Zeit, wie Zahra beschreibt. „Ich war die Einzige im Camp, die Englisch konnte und musste als Übersetzerin aushelfen. Dadurch habe ich die verschiedensten Menschen und ihre individuellen Geschichten kennengelernt“, erzählt sie.

Nach dem kurzen Aufenthalt im Harz landeten Zahra und ihre Familie in Zerbst. 2015 und 2016 wurden 231 Flüchtlinge in Zerbst aufgenommen. Die soziale Beratung und Betreuung übernahm hier die Diakonie.

„Wir haben von Anfang an eng mit der Stadt, den Wohnungsgenossenschaften und den Bildungseinrichtungen zusammengearbeitet. Dadurch konnten die Familien dezentral untergebracht werden und mussten nicht in Flüchtlingsheime“, erzählt Karin Zander, damals Flüchtlingsbeauftragte der Diakonie.

Familienpaten und ehrenamtliche Helfer sorgen bis heute dafür, dass sich die Flüchtlinge in Zerbst integrieren können und stets Ansprechpartner haben.

An der Berufsschule in Bitterfeld machte Zahra Amiri ihren Hauptschulabschluss. Im Diakonissenkrankenhaus in Dessau absolvierte sie eine einjährige Ausbildung zur Krankenpflegehelferin. Dort arbeitet sie momentan in der Urologie. Zu Beginn eine Herausforderung, wie sie zugeben muss. „In meiner Kultur machen das normalerweise nur männliche Pfleger. Am Anfang musste ich mich überwinden, aber mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt“, sagt sie.

Im September beginnt sie eine Ausbildung zur Pflegefachkraft am Städtischen Klinikum in Dessau. Vorerst wolle sie auch in Dessau bleiben. Auch um weiterhin für ihre Mutter und ihre jüngeren Geschwister da zu sein. An ihren freien Tagen ist sie regelmäßig bei ihnen in Zerbst.

Sie übernimmt das Ausfüllen von Unterlagen und den Austausch mit den verschiedenen Ämtern. Ihre Schwestern hätten sich ebenfalls gut in Zerbst eingelebt, so Zahra Amiri. Besuchen Kindergarten und Grundschule. „Sie sprechen sehr gut Deutsch, haben aber leider Persisch schon fast verlernt“, muss sie feststellen.

Ihr Vater starb im Dezember 2018 an den Folgen seiner schweren Darmerkrankung. Ein herber Schlag für die Familie.

Die Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, hätte ihre Familie nie bereut, so Zahra Amiri. „Wir hatten aber auch sehr viel Glück. Ich kenne viele, die immer noch kämpfen müssen und trotz Arbeit nur in Deutschland geduldet werden“, sagt Zahra Amiri.

Auch Karin Zander kennt die unterschiedlichen Schicksale der Flüchtlinge. „Für allein reisende Männer war es von Anfang an schwieriger, eine Anerkennung zu bekommen. Viele werden bis heute nur geduldet, obwohl sie eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz in Aussicht haben“, sagt die Migrationsberaterin.

Zahra Amiri fühlt sich in Zerbst sichtlich wohl. Sie ernte zwar hier und da komische Blicke, aber hier empfinde sie die Menschen als deutlich angenehmer als zum Beispiel in den Großstädten wie Berlin. „Wenn die Leute wissen, dass ich arbeite, respektieren sie mich“, erzählt Zahra Amiri.

Ihr nächster Schritt in Richtung Unabhängigkeit: der Führerschein. „Die theoretische Prüfung habe ich bereits bestanden“, sagt sie. In Deutschland darf sie zunächst für drei weitere Jahre bleiben. Für diesen Zeitraum hat sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Danach könnte die Einbürgerung erfolgen. Dann müsste sich Zahra Amiri nicht mehr als Flüchtling fühlen.