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Weltmeister Wochenlang nur Reis mit Hühnchen

In der Serie "Zerbst - Stadt der Weltmeister" stellen wir Menschen vor, die zur Weltklasse gehören. Heute: Bodybuilder Axel Handrich.

Von Paul Schulz 03.05.2019, 07:00

Zerbst l Wenn sich Axel Handrich auf einen Bodybuilding-Wettbewerb vorbereitet, dann heißt das für ihn, dass sich sein gesamter Alltag ändert. Allem voran die Ernährung. Etwa 12 bis 14 Wochen vor dem Wettbewerb ernährt sich der 25-Jährige dann überwiegend von dem Klassiker unter den Bodybuilder-Gerichten: Reis mit Hühnchen und Brokkoli. „Die Ernährung macht rund 70 Prozent beim Bodybuilding aus. Sie ist extrem wichtig“, betont der Amateur-Weltmeister in der Klasse „Men‘s Physique“ des National Athletic Comitee (NAC). Außerdem trainiert er in Vorbereitung auf die Wettkämpfe rund zwei Stunden täglich im Fitnessstudio.

Diesen Weltmeisterschaftstitel hat Handrich im Sommer des vergangenen Jahres auf den Philippinen errungen. Dass er überhaupt die Gelegenheit dazu bekam, ist zum Teil auch dem Glück geschuldet. „Nachdem ich mich bei den Ostdeutschen Meisterschaften für die Deutschen Meisterschaften qualifiziert hatte, konnte ich dort in meiner Klasse den zweiten Platz erringen“, sagt Handrich.

Zur Weltmeisterschaft darf jedoch nur der Erstplatzierte. Dieser hatte offenbar aber keinen gültigen Reisepass und konnte deswegen nicht am Wettbewerb auf den Philippinen teilnehmen. Es folgen ungewisse Tage für Axel Handrich. Erst heißt es, er könne mit. Dann wird ihm wieder das Gegenteil mitgeteilt. „Ich habe mich dann auch wieder normal ernährt, da ich dachte, es geht für mich nicht weiter“, blickt der 25-Jährige zurück.

Wenige Tage später, kurz vor seinem Schwimmtraining an der Fachhochschule der Polizei Sachsen-Anhalt, bekommt er dann den entscheidenden Anruf: Er ist dabei! „Ich war überglücklich und konnte es erst gar nicht fassen. Ich darf auf die Philippinen? Zur Weltmeisterschaft? Das hat mich enorm motiviert“, so Axel Handrich. Sofort stellt er seine Ernährung wieder um, denn so eine Chance biete sich ihm nie wieder, ist er überzeugt.

In seinem Umfeld freut man sich für ihn, aber er bekommt auch Sätze wie „Mach dir nicht zu große Hoffnungen. Hauptsache ist, dass du dabei bist“ zu hören. Handrich stimmt diesen Sätzen zu, aber im Hinterkopf hat er nur ein Ziel: Gewinnen. Den Titel holen. „Wenn man da mitmacht, dann nicht, um Dritter oder Vierter zu werden“, sagt der Sportler.

Bei den Bodybuilding-Wettbewerben gibt es übrigens verschiedene Klassen mit unterschiedlichen Bedingungen und Vorschriften. In Handrichs Klasse, der Men‘s Physique, müssen die Teilnehmer beispielsweise knielange Shorts auf der Bühne tragen. Zudem gibt es Gewichtsvorschriften. Das Wettkampfgewicht der Athleten darf die Körpergröße (in Zentimeter) minus 100 nicht überschreiten. Zum Beispiel: Ist ein Sportler 179 Zentimeter groß, so darf er maximal 79 Kilogramm wiegen.

Außerdem wird die Klasse auch so definiert, dass die Athleten so aussehen, wie es jeder könnte, der regelmäßig Sport treibt. Mit dieser Aussage geht der Athlet aber nicht ganz mit. „Das ist realitätsfremd. Mit drei Mal die Woche ins Fitnessstudio gehen, ist das längst nicht getan“, so Handrich.

Zudem umschreibt Handrich das Bodybuilding als einen subjektiven Sport, da die Sportler von Juroren bewertet werden und das Ergebnis somit nicht zu 100 Prozent messbar ist.

Die Kriterien, die beim Bodybuilding bewertet werden, sind unter anderem Muskelmasse, der Definitionsgrad beziehungsweise die Muskelhärte, die Ausstrahlung und Präsentation des Athleten sowie das Gesamtbild. Wichtig sei es zum Beispiel, dass man bei der Präsentation immer locker wirkt. Dass das Gesicht nicht angestrengt aussieht, erklärt Axel Handrich.

Aber natürlich spielen auch die Muskeln eine entscheidende Rolle. Damit bei diesen auch jedes Detail hervorsticht und die „Einschnitte und Streifen“, wie es bei den Sportlern heißt, zu erkennen sind, tragen die Bodybuilder eine bräunliche Farbe auf. Auf der Bühne präsentieren sie sich dann in vier Grundpositionen, „Line-Up“ genannt. Dabei einmal von vorne, von hinten sowie von links und rechts.

Bei der Weltmeisterschaft auf den Philippinen im vergangenen Jahr lief aber einiges etwas anders als in Deutschland, erinnert sich Handrich. „Ein großes Problem war, dass dort alles so unstrukturiert war. Normalerweise wird den Athleten rechtzeitig Bescheid gesagt, wann sie auf die Bühne gehen, damit sie sich vorbereiten können. Also Farbe auftragen, die Muskeln ‚aufpumpen‘ und sowas. Das hat da sehr schlecht funktioniert. Man wusste erst kurz davor Bescheid, wann man dran ist“, kritisiert der gebürtige Zerbster.

Dennoch konnte Handrich die Juroren von sich überzeugen. Die wochenlange Diätphase und seine Disziplin haben sich ausgezahlt. Er wird zum Weltmeister ernannt. „Es war überwältigend. Ich habe es selbst Wochen nach dem Wettkampf noch nicht so ganz registriert“, sagt Axel Handrich.

Zur Belohnung gönnt sich der Sportler übrigens auch mal eine Pizza oder einen Burger. „Man muss auch mal Schrott essen“, sagt er.

Sein nächstes Ziel hat der Athlet übrigens auch schon ins Auge gefasst. Im Herbst will er wieder an den Ostdeutschen Meisterschaften teilnehmen, um sich für die Deutschen Meisterschaften zu qualifizieren und auch beim Universe-Wettbewerb zu qualifizieren. Dann stehen ihm wieder mehrere Wochen Reis mit Hühnchen und Brokkoli bevor – aber daran hat sich Handrich mittlerweile schon gewöhnt.