Leichtathletik Kadiri: „Ich lasse mich lieber treiben“
Chelsea Kadiri vom SC Magdeburg hat sich für die U-20-EM kein Ziel gesetzt. Aber freilich gehört sie zu den Kandidatinnen auf eine Medaille.

Magdeburg - Am 8. August will sie in dem 1958 erbauten Stadion in Givat Ram auf der Tartanbahn stehen, die Muskeln noch einmal lockern, zur Startposition gehen und sich mit dem Schuss aus dem Block auf die 100 Meter lange Distanz begeben. Chelsea Kadiri ist dann bei der U-20-Europameisterschaft der Leichtathleten in Jerusalem, an jenem Ort, an dem sie vor einem Jahr die Silbermedaille bei den kontinentalen Titelkämpfen der U 18 gewann.
Sie reist dorthin als Führende im europäischen Jahresranking ihrer Altersklasse. Mit 11,25 Sekunden. Erzielt bei den deutschen Meisterschaften der Elite am 8. Juli in Kassel. Die Sprinterin vom SC Magdeburg blickt voraus: „Ich gehe auch diesmal ohne Erwartungen rein. Ich finde, wenn ich mir Ziele setze, setze ich mich zugleich unter Druck. Ich lasse mich lieber treiben, das fühlt sich für mich besser an.“
Wie gut sich Erfolg anfühlt, weiß die 18-Jährige ja schon aus vergangenen Meisterschaften. Aber jene in Jerusalem vor einem Jahr und jene in Kassel sind die bislang speziellen Erfolge, die Kadiri in ihrem Zimmer verewigt hat. „Ich sehe die Medaillen jeden Tag“, sagt sie lächelnd. Beide sind aus Silber. Beide hängen an der Wand. Aber jene aus Kassel „ist schon etwas Besonderes, weil ich dort zum ersten Mal bei den Erwachsenen gestartet bin und gleich eine Medaille gewonnen habe.“
Im Halbfinale jener Meisterschaft hatte sie ihre aktuelle Bestzeit aufgestellt. „Die Zeit hat mich selbst überrascht“, berichtet Kadiri. Eigentlich fast jeden, der die Zehntelsprünge der Chelsea Kadiri beobachtet hat. Die waren in diesem Jahr nämlich riesig, was sich Kadiri damit erklären kann, „dass wir das Training umgestellt haben und ich im Kraftbereich stabiler geworden bin“, sagt sie. Aber nicht nur das Training gibt ihr Kraft.
Auch ihr Trainer Matthias Lindner, 36 Jahre, über den die 1,65 Meter große Athletin sagt: „Ich glaube einfach, dass er mich sehr gut motivieren kann, er gibt mir Sicherheit, wenn er bei den Wettkämpfen dabei ist. Er ist noch jung, damit kommt meine Generation besser klar. Und man kann mit ihm Kompromisse machen.“
Auf der Tartanbahn allerdings macht Kadiri keine Kompromisse mehr. In Kassel musste sie sich nur der deutschen Ausnahmesprinterin Gina Lückenkemper geschlagen geben. Ein Vorbild? Nein, „ich schaue mir viele Athleten an im Internet, die ich inspirierend finde. Aber dass ich sagen würde, ich will auch so sein, das ist nicht der Fall.“ Chelsea Kadiri will ihre eigene Geschichte schreiben.
Ich schaue mir viele Athleten an im Internet, die ich inspirierend finde. Aber dass ich sagen würde, ich will auch so sein, das ist nicht der Fall.
Chelsea Kadiri über Vorbilder
Auch wenn es vielleicht mal schmerzt. Aber auch für diesen Fall hat sie eine Inspiration gefunden. Sie mag die Geschichte von Karate Kid, das ist ihr Lieblingsfilm. „Ich finde die Geschichte cool, weil er als kompletter Neuling für die Karatemeisterschaft trainiert und trotz einer Verletzung gewinnt.“
Chelsea Kadiri ist übrigens der dankbarste Gast, den man sich zum Essen einladen kann. „Ein Lieblingsessen habe ich nicht, ich mag alles“, berichtet sie. Nur einen Eistee mit Pfirsichgeschmack oder einen Multivitaminsaft sollte man idealerweise im Haus haben. Sie bringt auch gerne eine Autogrammkarte mit, sollte sie mal wieder verfügbar sein. „Zurzeit habe ich keine mehr“, sagt sie.
Die letzten wurden ihr beim Empfang nach den Kassel-Meisterschaften in der heimischen Leichtathletik-Halle entrissen. Der Rummel um ihre Person ist ihr indes noch nicht zu viel geworden. „Damit komme ich gut klar.“
Er wird auch nicht abebben, wenn Chelsea Kadiri am 8. August wieder eine Medaille gewinnen sollte. Die Konkurrenz ist natürlich groß. Sie wird wieder auf Nia Wedderburn-Goodison aus Großbritannien treffen, die im vergangenen Jahr Gold gewann. Kadiri informiert sich über die sozialen Kanäle, was die Gegnerinnen, die zugleich gute Bekannte sind, so treiben auf der Wettkampftour.
Aber sie bleibt dabei in ihrer Altersklasse. Sie hat sich auch für das kommende Jahr nicht etwa den Start bei den Olympischen Spielen in Paris vorgenommen, sondern die Teilnahme an der U-20-Weltmeisterschaft, die dann in der letzten Augustwoche in Lima in Peru ausgetragen wird.
Die Sommerspiele in Los Angeles 2028, „die sind ein Ziel“, sagt Chelsea Kadiri. Aber das nächste Ziel ist zunächst Jerusalem. Startposition einnehmen und sich nach dem Schuss auf die 100 Meter lange Distanz begeben.