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Lübarser Kirche Luther bekommt sein Gesicht zurück

130 Jahre ist in kirchenbaulicher Sicht nicht alt. Dennoch ist das, was da gerade in der Lübarser Kirche restauriert wird, etwas Besonderes.

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 11.09.2019, 18:00

Lübars l Aus dem 15. Jahrhundert stammt die kleine Kirche in Lübars. Vor rund 130 Jahren 1885) ist der Innenraum überarbeitet und neu ausgemalt worden – mit einer aufwendigen Dekorationsmalerei mit Quadergliederung und Friesgestaltungen mit Blüten, sowie einer Stoffdraperie im Chor. Und – das ist das Sehenswerte – mit Martin Luther und Philipp Melanchthon, die gemeinsam für die Reformation eintraten und die eine innige Freundschaft verband. Verbunden sind beide beinah lebensgroß gemalten Persönlichkeiten mit dem Schriftzug „Selig sind die Gottes Wort hören und bewahren“. Am höchsten Punkt des Bogens, durch den es in den Chor geht, ist das „Gotteslamm“ mit der Siegesfahne abgebildet. Es steht für Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist. Seine Auferstehung gilt als Sieg über den Tod, wie Pfarrer Ralf Euker erklärt. Er ist glücklich, dass die beiden Restauratorinnen Marie Heyer aus Berlin und Daniela Arnold aus Leipzig beauftragt werden konnten und dass drei Wochen kurz vor Abschluss der intensiven Arbeiten so ein schönes Ergebnis hinter dem Baugerüst zu erahnen ist.

Vorgefunden haben die beiden Restauratorinnen, die auf Wandmalereien spezialisiert sind, eine Leimfarbenmalerei. „Sie besteht aus organischen Bindemitteln, die sich mit der Zeit abgebaut haben. Die Malschichtoberfläche „pudert“ und ist bei Berührung nicht wischfest – diese Kostbarkeit droht verloren zu gehen“, schildert Daniela Arnold den anfänglichen Zustand. Die beiden in gemalten Nischen mit Lehrbüchern in der Hand stehend dargestellten Personen Luther und Melanchthon wiesen zahlreiche Fehlstellen auf, vor allem die Gesichter waren stark geschädigt und waren kaum mehr zu erkennen.

Inzwischen hat sich einiges verändert. Zunächst wurde die vorhandene Malschicht gefestigt und gereinigt. Dadurch wurden die Bilder schon etwas klarer. Bei der jetzt mühevoll erfolgenden Retusche werden die winzigen weißen Fehlstellen mit dem Pinsel ausgefüllt – so wie einst wird dafür Leimfarbe verwendet. Punkt wird an Punkt gesetzt, so dass sich Alt und Neu zu einem wieder vollständigen Bild ergänzen.

„Es ist spannend, wie durch die schrittweise Retusche die Gesichter zum Vorschein kommen“, ist Daniela Arnold fasziniert. Dennoch bleibt es eine Herausforderung, die verlorenen Bildteile in den Figuren so wie einst darzustellen. „Leider gibt es keine alten Bilder, die die Wandmalerei in besserem Zustand zeigen. Vielleicht haben ja Dorfbewohner noch Fotos, die beispielsweise während einer Taufe oder Hochzeit gemacht worden sind – wenn sie uns diese zeigen könnten, wäre das eine große Hilfe.“

Nicht nur an der Wandmalerei legen die beiden Expertinnen mit viel Feingefühl Hand an, sondern im Putz sind auch Ergänzungen nötig. Dafür verwenden sie Sande aus einer Kiesgrube der Umgebung um den historischen Putz exakt nachzustellen.

Ein paar Tage haben die Restauratorinnen noch zu tun. Dann kann das Gerüst wieder abgebaut werden.

Die Wiederherstellung eines Teils der Wandmalerei war ein weiterer Schritt, die Kirche in ihrer Schönheit zu erhalten. Dringend nötig hat das auch die teilweise schon ganz verschwundene Stoffdraperie im Chor.

Und dann ist da noch der wunderschöne gotische Schnitzaltar, der mindestens aus der Zeit des Baus der Kirche stammt. Die Altarflügel lassen sich auf und zu klappen: die schmucklose geschlossene Ansicht war für den Alltag, die geöffnete Ansicht mit aufwendigen, aber vielfach angegriffenen Schnitzereien bestückte für Festgottesdienste – so präsentiert er sich seit vielen Jahren den Gottesdienstbesuchern in Lübars. Auch er sollte in absehbarer Zeit von Restauratoren bearbeitet werden, damit er lange erhalten bleibt.