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Hug Of Thunder Broken Social Scene: Kreativ im Kollektiv

Kreativer Wahnsinn im Band-Kollektiv und starke Songs mit Schräglage - dafür stehen Broken Social Scene aus Toronto. Auch die wunderbare Leslie Feist ziert wieder das neue Album der Kanadier.

Von Werner Herpell, dpa 18.07.2017, 05:00

Berlin (dpa) - Bei ihrem Comeback-Timing hat die Indie-Bigband Broken Social Scene etwas Pech: Eingequetscht zwischen aktuellen Veröffentlichungen von Fleet Foxes (Mitte Juni), Arcade Fire (Ende Juli) und The National (September) droht das neue Album im Sommerloch zu versinken.

Das wäre schade, denn "Hug Of Thunder" (City Slang) präsentiert die derzeit etwa 15 BSS-Musiker rund um die Bandbosse Kevin Drew und Brendan Canning in Topform. Das gerade mal fünfte Studioalbum seit dem Debüt von 2001 (und das erste seit "Forgiveness Rock Record" vor sieben Jahren) bietet genug wuseliges Chaos und kreativen Wahnsinn, um auch hohe Erwartungen an diese ungewöhnliche Band zu erfüllen.

Die Platte enthält vielleicht sogar noch bessere Lieder als üblich - wenn man ausufernde Songstrukturen mag wie etwa im fantastischen "Victim Lover" oder in "Gonna Get Better". Wer also die bisher bekannt gewordenen neuen Tracks der Landsleute von Arcade Fire zu stromlinienförmig findet und dort die Schrägheiten früherer Platten vermisst, könnte bei Broken Social Scene fündig werden. Man darf ja nicht vergessen, dass diese Truppe aus Toronto mit ihrem prallvoll-orchestralen Postrock-Sound sogar früher dran war als Win Butler und Co.

Schon "Halfway Home", das zweite neue Stück nach dem sanften Intro "Sol Luna", schraubt sich mit Donner-Drums, bombastischen Gitarren, Bläser-Stakkato und atemlosen Wechselgesängen zu einer typischen BSS-Hymne hoch. Auch "Protest Song" verschafft keine Ruhepause, ehe "Skyline" zwar ebenfalls von wuchtigen Trommeln angetrieben wird, aber melodisch zarter daherkommt.

Und so geht es weiter. Man spürt mit jedem der zwölf Tracks den riesigen Spaß, den dieses Alternative-Rock-Kollektiv bei den Aufnahmen hatte. Wieder gehören dazu Musikerinnen, die längst außerhalb von Broken Social Scene bekannt geworden sind: Amy Millan (Stars) und Emily Haines (Metric), aber auch die als Singer-Songwriterin weltweit höchst erfolgreiche Leslie Feist. Sie singt mit ihrer zwischen lieblich und herb oszillierenden  Feist-Stimme den tollen Titelsong "Hug Of Thunder" .

Die Indiepop-Konkurrenz von Fleet Foxes und Arcade Fire war gerade zu herausragenden Gigs auf deutschen Bühnen, The National treten bald ebenfalls hier auf. Broken Social Scene haben es mit ihren aufwendigen Auftritten in Fußballmannschaftsstärke nicht so leicht, mal eben kostendeckend auf Europa-Tour zu gehen (beim Immergut-Festival von Neustrelitz waren sie immerhin). Daher wird es zu diesem Klasse-Album wohl absehbar keine Live-Umsetzung in Deutschland geben. Schade, denn auch die neue Musik von BSS ist im Konzert sicher eine Augen- und Ohrenweide.

Website Broken Social Scene