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Kabarettist Sebastian Hengstmann Erklärung für Unglaubliches

Ein guter politischer Kabarettist müsse mindestens 35 Jahre alt sein,
meinte einst Dieter Hildebrandt. Sebastian Hengstmann ist jetzt 36 Jahre
alt. Zeit also für ein eigenes Soloprogramm, das auch "Solo" heißt und
bei der Premiere im Magdeburger Kabarett "...nach Hengstmanns" am
Mittwochabend mit viel Beifall bedacht wurde.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 30.01.2015, 01:21

Magdeburg l Die kabarettistischen "Hengstmänner", zumindest das Bruderpaar Tobias und Sebastian, kennt man eigentlich nur als Doppelpack. "Doch nichts von dem, was wir machen, ist in Stein gemeißelt", meinte schon vor Monaten der ältere der Brüder, Sebastian Hengstmann, und bereitete sein Soloprogramm so vor, wie man sich das vorstellt. Er zog sich in die Einsamkeit zurück. Nur dort können große philosophische Gedanken reifen - das wusste einst schon der alte Grieche Diogenes.

Sebastian Hengstmann tat es ihm gleich, und heraus kam ein ganzes Programm, das vielleicht ein Stückchen Familientherapie ist, vor allem aber mit einer großen Handbewegung so ziemlich alles an Themen aus dem Unrat politischen Handelns im Land und in der Welt ans Tageslicht zerrt, was meist glaubhaft unglaublich ist.

Höchst geschickt erklärt der Kabarettist genau das, von dem er behauptet, dass er das eigentlich gar nicht erklären wollte. Auf diese Weise jagt er durch die Ergüsse der Politprominenz, nicht ohne süffisiant zu bemerken, dass es Menschen und Politiker gäbe, unter letzteren sogar welche mit gesundem Menschenverstand. Das allerdings sei dann so etwas, wie ein schwuler Moslem.

Volker Kauder, Vorsitzender der gemeinsamen Unionsfraktion aus CDU und CSU im Bundestag, ist im Soloprogramm von Sebastian Hengstmann eine bevorzugte Zielscheibe für die satirischen Seitenhiebe, von denen aber auch die Bundeskanzlerin Merkel, die Familienministerin Schwesig oder die kämpferische Uschi von der Leyen nicht verschont bleiben.

Angetan hat es ihm auch der Bundespräsident, der trotz seines pastoralen Wesens für kriegerische Auseinandersetzungen überall in der Welt eintrete. Ihm widmet er im ersten Teil seines Programms sogar ein eigenes Lied. Schließlich braucht Deutschland auch so etwas Bedeutsames, wie die Briten ihre Königin. Obwohl, so der Kabarettist nachdenklich, wir haben ja schon eine ältere Dame, die nicht freiwillig abtreten will.

Sebastian Hengstmann, der für sein Soloprogramm enorme Textmengen bewältigt, ein exzellentes Daten- und Zahlengedächtnis beweist und auch bei komplizierten Wortspielen absolut sicher ist, verabreicht seinem Publikum keine leichte Kost. Er schreckt auch vor der Erklärung komplexer Sachverhalte nicht zurück, etwa die Rolle des Staates bei der Alimentierung der Kirche für einst enteignetes Eigentum im Zusammenhang mit der Säkularisierung. Jahr für Jahr, so rechnet der bekennende Agnostiker vor, werden Millionen für etwas gezahlt, was Jahrhunderte zurückliegt. Das war in der Kaiserzeit so, in der Weimarer Republik, selbst im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik sowieso. 2,5 Milliarden Euro bis 2017 sind das, hat der Kabarettist ausgerechnet und zeigt auf das Publikum: "Das bezahlt Ihr alle, Du und Du und Du."

Es ist ein Vorzug des Solo-Programms, dass solche Sachverhalte sehr gründlich satirisch aufgearbeitet werden. Das ist ein durchaus schwieriges Unterfangen, denn einerseits will Sebastian Hengstmann sein Publikum im Verständnis für das oft Unbegreifbare mitnehmen, muss also auch Vorgänge und Begrifflichkeiten erläutern, und andererseits soll das Ganze prägnant und mit einer Pointe versehen sein.

Das kommt manchmal der Quadratur des Kreises schon sehr nahe, und es ist beeindruckend, wie geschickt der Künstler dieses Problem löst. Dahinter steckt viel Arbeit, denn es ist das Leichte, das so schwer zu machen ist. Und wenn es an der einen oder anderen Stelle noch nicht ganz gelingt, dann rettet der Kunstgriff, dass doch wirklich einmal gesagt werden muss, worüber man eigentlich gar nicht reden wollte.

Nicht fehlen darf die Kultfigur Malte, für die Sebastian Hengstmann bekannt ist. Nach seinem kabarettistischen Marathonlauf schließt das Programm mit einem Lied, das zu den besten Momenten gehört: "Man fragt sich, man weiß nicht warum"... ist der Titel. Für den Besuch von "Solo" muss man sich diese Frage nicht stellen, denn das muss man einfach gehört und gesehen haben.

Folgende Termine: Heute, morgen sowie am 15. und 17. Februar.