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"Der Prozess" im Theater Magdeburg Düster und humoristisch zugleich

Alljährlich präsentiert das Theater Magdeburg im Schauspielhaus eine Kammeroper. In diesem Jahr kommt als deutsche Erstaufführung "Der Prozess" nach Franz Kafka von Philip Glass auf die Bühne. Gisela Begrich sprach für die Volksstimme mit dem musikalischen Leiter Hermann Dukek über die Besonderheit dieses Projekts.

21.03.2015, 01:20

Volksstimme: Herr Dukek, wer Kafka ist, wissen viele Menschen, aber wer ist Philip Glass?
Hermann Dukek: Philip Glass zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Komponisten der Gegenwart. Und er ist einer der erfolgreichsten und vielseitigsten. Er schuf Klavierkonzerte, Sinfonien und zahlreiche Opern, aber ebenso Filmmusiken und Soundtracks, etwa von "The Truman Show". Er gilt zudem als einer der wichtigsten Vertreter der Minimal Music.

Was versteht man denn unter Minimal Music?
Die Musik baut große Flächen durch kleine Bausteine, die sich immer wiederholen. Diese Musik ist eher undramatisch. Es gibt keine eigentlichen Themen oder Leitmotive. Sie fließt wie ein großer Fluss mit kleinen Wellen dahin.

Ist das nicht langweilig?
Nein, viele sind so begeistert, dass sie sich ein- und dieselbe Opernaufführung mehrere Male anschauen. Glass geht auf die 80 zu, aber er gilt als ein Komponist, der auch junge Leute für die Oper begeistern kann. Er ist sehr populär. Übrigens gab es 2010 in Magdeburg eine Art Publikumsrun, als das Theater Glass´ "Untergang des Hauses Usher" zeigte. Man kann sagen, dass diese Musik eine Art Sogwirkung entfaltet, der man sich nur schwer entziehen kann.

"In der Uraufführung in London wurde viel gelacht."

Das passt sicher perfekt zu Kafkas Erzählstil und dessen verstörender Geschichte um Josef K. Denn K. wird ja unausweichlich, wie in einem Albtraum, in eine nebulöse Gerichtsverhandlung gesogen. Die Zuschauer müssen sich demnach auf einen beklemmenden Abend einrichten?
Je mehr ich mich mit dem Stück beschäftige, desto mehr entdecke ich neben den düsteren Seiten auch abstrus-humoristische. In der Uraufführung in London wurde jedenfalls viel gelacht. Sie war bei Publikum und Presse ein riesiger Erfolg!

Sie konnten ja in London bei den Endproben dabei sein. Wie haben Sie denn Philip Glass erlebt? Hat er oft in die Probe eingegriffen? Es war ja schließlich die Uraufführung seiner Oper!
Er hat sich mit Kommentaren und Eingriffen in die Proben sehr zurückgehalten. Es gefiel ihm offensichtlich sehr gut. Er wirkt überhaupt wie ein Mensch, bei dem vieles so sein kann, wie es ist.

Das Theater Magdeburg will mit der deutschen Erstaufführung natürlich an den Londoner Erfolg anknüpfen!
Das gelingt ganz sicher, denn es handelt sich um eine Gemeinschaftsproduktion.

Was bedeutet das? Die Briten gastieren?
Ja und nein. Bühne und Kostüme sind die gleichen wie auf der Studiobühne des Royal Opera House Covent Garden. Sie wurden nach Vorgaben des englischen Bühnenbildners Simon Banham in unseren Theaterwerkstätten hergestellt und hier wie dort verwendet. Wichtiger aber ist, dass der Regisseur der Uraufführung, Michael McCarthy, auch in Magdeburg für die Inszenierung verantwortlich ist. Bariton Johnny Herford, der in London den Joseph K. gesungen hat, wird auch bei uns in dieser Rolle zu sehen sein, aber die weiteren sieben Rollen sind mit Sängern und Sängerinnen unseres Ensembles besetzt. Und es spielen Mitglieder unserer Magdeburgischen Philharmonie.

Wie kam es denn zu dieser intensiven Zusammenarbeit? Hat da die Generalintendantin die englische Karte gezogen?
In gewisser Weise schon: Karen Stone hatte davon gehört, dass das Music Theatre Wales mit Philip Glass eine Oper nach Kafkas "Prozess" plant. Sie kennt die dortigen Kollegen seit langem. Sie nahm also Kontakt auf, und so entstand "Der Prozess" als ein gemeinsames Auftragswerk. Eine Zusammenarbeit auch in Bezug auf die szenische Realisierung lag da natürlich auf der Hand.

Philip Glass, Der Prozess, Premiere 2. April, Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen: 5. 4. / 11. 4. / 26. 4. / 8. 5.