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SPD-Chef in Wernigerode Sigmar Gabriel erholt sich im Harz

Sigmar Gabriel ist Verschiedenes: SPD-Vorsitzender, Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister. Am Mittwochabend in Wernigerode wird er zusätzlich mit "lieber Lions-Freund" begrüßt. Gabriel ist in seiner Heimatstadt Goslar Mitglied des Wohltätigkeitsklubs und im Ostharz Gast des Wernigeröder Ablegers.

Von Steffen Honig 08.05.2015, 03:19

Wernigerode l Turbulente Tage in der Hauptstadt liegen hinter ihm, ein Zerwürfnis mit der Kanzlerin wegen der BND-Affäre wird ihm nachgesagt, was die schwarz-rote Koalition belastet. Da kommt es Gabriel augenscheinlich zupass, für einige Stunden in heimatliche Gefilde entfliehen zu können.

Den Kennedy-Satz "Ich bin ein Berliner" werde man von ihm ohnehin nie hören, bekennt Gabriel. Er sei froh, außerhalb des Berliner Politikbetriebes "normale Menschen zu kennen". Gerade im Harz, einer Region, in der Deutschland seine Ursprünge habe, schwärmt der Goslarer. Der SPD-Chef ist in seinem Element: Die rund 100 Gäste in der Harzer Volksbank fängt er bodenständig, leutselig und launig ein.

Er spricht eine Stunde lang über Harztourismus, Breitbandnetze, Flüchtlingsaufnahme und die Krisen dieser Welt, ohne das auch nur eine Minute Langeweile im Saal aufkommt. Dort sitzen neben den Lions-Mitgliedern auch einheimische Rotarier sowie die komplette lokale Politprominenz.

"Brauchen keine Nachhilfe in Demokratie."

Schlagfertigkeit würzt den Auftritt: Als der Lions-Präsident Klaus Münchhoff von Gabriel wissen will, ob er sein Parteiamt wie sein Vorgänger Franz Müntefering als schönstes Amt nach dem des Papstes ansehe, bescheidet ihn der SPD-Chef nur knapp: "Weiß ich nicht, ich bin Lutheraner." Und passend zum Veranstaltungsort sagt der langjährige Volksbank-Genossenschaftler Gabriel: "Das ist der einzige Ort, in dem man in Ruhe Genosse sein kann!"

Wie wahr, denn bei vorgebrachtem Bedenken gegen Koalitionen mit der Linkspartei wird der SPD-Vorsitzende prinzipiell: "Wir brauchen keine Nachhilfe in Demokratie." Nichts an Fortschritt in Deutschland hätte es ohne die SPD gegeben. Über Koalitionen mit den Linken in den Ländern müsse vor Ort entschieden werden.

25 Jahre nach der Wende könne es aber keine Gleichsetzung der Linkspartei mit der SED mehr geben. "In Ostdeutschland bricht mit Ramelow als Ministerpräsident nicht der Stalinismus aus." Doch im Bund fehlten die Voraussetzungen für eine gemeinsame Regierung, betont Gabriel - vor allem wegen der außenpolitischen Differenzen. Die Linke, das seien zwei Parteien in einer. "Die Linkspartei im Osten ist im Wesentlichen eine konservative sozialdemokratische Partei", meint der Sozialdemokrat unter Verweis auf die von ihr vertretenen "Law Order"-Positionen. Im Westen vereinten die Linken so ziemlich alles, was es an Sektierern gebe, "davon 90 Prozent SPD-Hasser".

"Da ist der Osten schon verdammt gut."

Ost-West-Unterschiede hat Gabriel auch im Harz stets vor Augen, was die touristische Infrastruktur anbetrifft. "Als Westharzer muss ich zähneknirschend sagen: Da ist der Osten schon verdammt gut", bekennt der Goslarer. Im Westharz sei seit den 1970er Jahren die Entwicklung verschlafen worden.

Die Geheimdienstaffäre hat er sorgsam ausgespart. Als aber nach einer Gefährdung der Koalition gefragt wird, folgt ein Beispiel politischer Gerissenheit: Gabriel, dessen Nachfragen bei Angela Merkel die Debatte erst angeheizt hatten, dreht den Spieß um und schiebt die Verantwortung allein den Medien zu. "Ich weiß nicht, was es da zu skandalisieren gibt." Problem für ihn erledigt.

Eine Kontroverse steht ihm diesem Champions-League-Abend noch bevor: Mit der Bayern-Unterstützung seiner Familie fertig zu werden, die dem Werder-Bremen-Fan gegen den Strich geht. Nichts gegen das, was Gabriel ab morgen wieder in Berlin erwartet.