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Baltischer Staat wird 17. Mitglied des gemeinsamen Währungsraumes Auch die Esten bezahlen ab Januar mit dem Euro

24.12.2010, 04:24

Von Thomas Borchert

Ein Plastiktütchen mit 42 Euromünzen im Wert von 12,79 Euro gehört zu den Standard-Weihnachtsgeschenken in Estland. 600000 "Starter-Kits" hat die Regierung vor der Einführung der EU-Währung am 1. Januar in Umlauf gebracht, damit die 1,3 Millionen Bürger sich schon mal auf den Nachfolger ihrer Nationalwährung Krone einstellen können. Die Wirtschaft des kleinen Baltikum-Staates gilt ohnehin als bestens vorbereitet. "Was Haushaltsdisziplin angeht, sind die Esten wahre Musterknaben", lobte EU-Währungskommissar Olli Rehn im Sommer.

Ähnlich sieht es kurz vor dem Startschuss Maren Diale Schellschmidt, Geschäftsführerin der Deutsch-Baltischen Handelskammer: "Die Menschen hier haben sich für den Euro ein solides Fundament geschaffen." Tatsächlich erfüllt Estland nach der Krise und harten Sparrunden die Beitrittsbedingungen für den Euro so souverän wie kein anderes der bisher 16 Länder mit der EU-Währung.

Von einem Haushaltsdefizit von nur 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und Staatsschulden von 7,2 Prozent vom BIP können die meisten Euroländer nur träumen. Die Teuerungsrate aber hat kräftig angezogen und liegt mit fünf Prozent im EU-Vergleich hoch. Schon 2007 hätten die Esten um ein Haar den Beitritt zum Euro geschafft, scheiterten aber knapp an zu hoher Inflation.

Seitdem haben die Bürger des wirtschaftlich erfolgreichsten Staates im Baltikum mit erstaunlicher Ruhe eine wirtschaftliche Wahnsinns-Tour hinter sich gebracht. Nach mehreren Jahren als "Tigerökonomie" mit zweistelligen Wachstumsraten brachte die Finanzkrise 2008 fast so etwas wie den freien Fall mit einem Rückgang des BIP von 5,1 Prozent und 2009 von 13,9 Prozent.

Statt aber, wie von der Umwelt erwartet, diesen Sturz durch eine Abwertung der an den Euro gebundenen Krone zu bremsen, entschied sich die Regierung des liberalen Ministerpräsidenten Andrus Ansip für einen harten Sparkurs. Bezahlen mussten unter anderem die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Einkommenskürzungen um 20 Prozent. Im Privatsektor sanken Löhne und Gehälter um bis zu 40 Prozent. Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich auf fast 15 Prozent.

Anders als im benachbarten Lettland oder später auch in Griechenland gab es kaum Proteste aus der Bevölkerung. "Wir haben da wohl ein bisschen die ruhigen skandinavischen Gene", meint Chefökonomin Maris Lauri von der estnischen Tochter der schwedischen Swedbank. Die Einführung des Euro als seit dem EU-Beitritt 2004 fest angepeiltes Ziel habe auch eine Rolle gespielt.

Inzwischen läuft die Wirtschaft wieder mit voller Kraft. Im Oktober stieg der Export um 47 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2009. Von Begeisterung über die neue Währung ist im Alltag trotzdem wenig zu spüren. Bei Umfragen haben mal die Befürworter, mal die Gegner die Nase knapp vorn. Neben der Angst vor einem zusätzlichen Anstieg der Preise durch die neue Währung gilt vor allem der Zeitpunkt der Umstellung als Grund für die anhaltende Euro-Skepsis. "Wir kamen vor gerade mal 20 Jahren von der zerbröckelnden Sowjetunion frei. Jetzt binden wir uns an eine bröckelnde Währungs- union", meint der Euro-Gegner Martin Helme. Und sieht finstere Zeiten auf Estland zukommen: "Vor allem werden wir für die Schulden anderer aufkommen müssen."(dpa)