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Blutbad in der Bagdader Sajjidat-al-Nadscha-Kirche Terroristen vertreiben Christen aus dem Irak

03.11.2010, 04:14

Von Anne-Beatrice Clasmann

Die Sajjidat-al-Nadscha-Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt, 180 Menschen waren zur Sonntagabend-Messe gekommen. Plötzlich stürmen zehn maskierte Männer mit automatischen Waffen und Handgranaten das Gotteshaus im Herzen von Bagdad. Die islamistischen Terroristen erschießen den Priester, zerstören Statuen und nehmen Geiseln. 50 Christen und 5 Geiselnehmer finden in der syrisch-katholischen Kirche in dieser Nacht den Tod. 70 Menschen werden verletzt, darunter auch Angehörige der Sicherheitskräfte. Zu dem Anschlag bekennt sich der irakische Ableger des Terrornetzwerks Al-Qaida.

Die Geiselnahme begann nach Angaben von Augenzeugen mit der Explosion einer Bombe, die mit einem Magneten an einem neben der Kirche geparkten Fahrzeug befestigt worden war. Kurz darauf explodiert ganz in der Nähe eine größere Autobombe. Dann stürmen die schwer bewaffneten Geiselnehmer in die Kirche. Die Terroristen treiben Dutzende von Gläubigen in ein kleines Zimmer, dessen Türen und Fenster sie verrammelten. Dann fällt der Strom aus. Die Christen, die in Todesangst sind, werfen sich zu Boden.

Stunden später hören die Eingepferchten, dass Hubschrauber über der Kirche kreisen. Dann fallen Schüsse und mehrere Explosionen sind zu hören. Wie ein Sprecher der Sicherheitskräfte später mitteilt, haben Mitglieder einer Anti-Terror-Einheit zwei Geiselnehmer erschossen. Drei weitere Geiselnehmer sprengen sich mit Sprengstoffgürteln in die Luft. Fünf Terroristen nimmt die Polizei fest. Verteidigungsminister Abdel Kader al-Obeidi erklärt später, die Terroristen hätten beabsichtigt, möglichst viele Geiseln zu töten.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so etwas Schreckliches erleben würde", stöhnt Tuma Abu Masen (50), der das Massaker in der Kirche überlebt hat. "Wir Christen sind im Irak zu einer leichten Beute für die bewaffneten Gruppen geworden", klagt Samir Edward aus Bagdad. Wie der 47 Jahre alte Besitzer eines Handelsunternehmens, so fühlen sich viele Christen von ihrem Staat im Stich gelassen. Im Irak lebten vor der US-Invasion im Frühjahr 2003 rund 1,5 Millionen Christen. Mehr als die Hälfte von ihnen ging seither ins Exil, um der Verfolgung durch Terroristen zu entgehen.

Papst Benedikt XVI. forderte nach dem Massaker in der Bagdader Kirche verstärkte internationale Bemühungen zum Schutz der Christen im Nahen Osten. "Ich ermutige die Pfarrer und Gläubigen, stark zu sein und unerschütterlich in ihrer Hoffnung", sagte er. (dpa)