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Wie der Familienberater und Buchautor Rogge eine zentrale Erziehungsfrage beantwortet Grenzen der Eltern beim Setzen von Grenzen

Von Philipp Hoffmann 13.04.2010, 05:20

Z: Magdeburg ZS: MD PZ: Magdeburg PZS: MD Prio: höchste Priorität IssueDate: 12.04.2010 22:00:00
Ob Kinder Grenzen brauchen, hat der Familienberater Jan-Uwe Rogge allen Ernstes seinen Vortrag am Freitagabend im voll besetzten Audimax der Hochschule Harz in Wernigerode betitelt. Das kann ja nur eine rhetorische Frage sein. Natürlich brauchen Kinder Grenzen. Wie soll denn Erziehung sonst funktionieren? Und überhaupt, Rogge selbst hat doch vor 17 Jahren eines der ersten seiner mittlerweile 20 Erziehungsbücher "Kinder brauchen Grenzen" genannt.

Aber dann fällt die Bejahung der Frage gar nicht so deutlich aus wie erwartet. Der Schleswig-Holsteiner beginnt nämlich nicht beim Kind, sondern bei den Eltern. "Grenzen setzen heißt, sich seiner eigenen Grenzen bewusst zu sein", sagt der 63-jährige Vater eines erwachsenen Sohnes. Eltern sollten sich "in ihrer ganzen Unvollkommenheit" wahrnehmen und zu ihren Fehlern stehen. "Je mehr du dich mit dem Kind in dir versöhnt hast", sagt Rogge, "desto besser kannst du mit dem vor dir umgehen."

Gnadenlos führt der studierte Sozialwissenschaftler Eltern deren Unzulänglichkeiten vor Augen. Er tut das mit viel Humor, statt den belehrenden Zeigefinger zu heben. Bei Vorträgen wird der erfahrene Familienberater und Buchautor zu einem Entertainer, der auch den letzten Zuhörer irgendwann zum Lachen bringt. Und dann wieder gnadenlos denjenigen, der am lautesten lacht, als den mit den größten Erziehungsproblemen entlarvt.

Rogge reißt mit, weil er sich in Kinder hineinversetzt und Konflikte aus ihrer Sicht schildert. Er spricht dann mit weicher, hoher Stimme, fast so wie der Komiker Otto Waalkes, dem Rogge auch optisch ein wenig ähnelt. Urkomisch, wenn er ein Kind vor einer gesetzten Grenze in Ehrfurcht erstarren lässt: "Boah, eine Grenze!" Oder einem Kind als Reaktion auf den elterlichen Wunsch nach Aufräumen des Zimmers ein begeistertes "natürlich, sofort" in den Mund legt.

Natürlich räumt kein Kind sofort auf, sondern windet sich irgendwie heraus. Natürlich bleibt keines vor einer Grenze stehen, sondern "will in das Land dahinter", wie Rogge es formuliert. Aber er gesteht es Kindern auch zu, ihre Grenzen auszutesten. "Kinder müssen auf die Nase fallen", sagt der Familienberater. "Und Trost spendet man ihnen am besten, indem man den Mund hält."

Rogge ermuntert Eltern, ihren Kindern Raum und Zeit zu gewähren, sich zu entwickeln. Er rät gar dazu, Kindern Freiheit zu geben. Aber eine Freiheit, die begleitet ist von der Verantwortung für ihr Tun. Daran, so stellt Rogge fest, hapert es. Und zwar bei den Eltern.

Der vom Förderverein der Kinderklinik Wernigerode eingeladene Buchautor verdeutlicht das so: Wenn nachts um vier die Polizei mit dem betrunkenen Sohn vor der Tür steht, dann solle man sich als Elternteil zu ihm bekennen, ins Bett gehen und erst am Morgen das Gespräch suchen. Fast so wie im biblischen Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15) – für Rogge die zentrale Geschichte über Grenzen: Der Sohn, der seinen Erbteil verprasst hat, kehrt reumütig nach Hause zurück. Der Vater nimmt ihn ohne jeden Groll auf. Denn für ihn ist der tote Sohn wieder lebendig geworden.