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Ramsauer löst Streit über Berliner Marx-Engels-Denkmal aus / Grüne: Der Bayer hat keine Ahnung von Berlin / Gysi empfiehlt: "Das Kapital" lesen Auslagerung von Geschichte in eine Art sozialistischen Streichelzoo

20.01.2012, 04:27

Streit um das Denkmal für Karl Marx und Friedrich Engels in Berlin: Der Vorschlag von Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU), die Gestalten der kommunistischen Vordenker aus der Hauptstadt-Mitte auf den Gedenkfriedhof der Sozialisten im Ost-Stadtteil Friedrichsfelde zu verbannen, stößt auf Widerstand.

"Geschichtsvergessen" nannte Berlins Kulturstaatssekretär An-dré Schmitz die Idee. "Eine Auslagerung nach Friedrichsfelde, um aus der dortigen Gedenkstätte eine Art sozialistischen Streichelzoo zu machen, kann hier nicht die richtige Antwort sein."

Ramsauer hatte sich in die Diskussion um die Neugestaltung der Mitte Berlins rund um das künftige Berliner Schloss eingeschaltet. Der Schloss-Wiederaufbau biete die Chance, im Berliner Stadtbild die alte historische Achse wieder sichtbar zu machen.

Das Denkmal für Marx und Engels sei besser auf dem Friedhof in Friedrichsfelde aufgehoben, wo auch die ermordeten Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ruhen. "Das ist so eine Art sozialistisches Reste-Zentrum", sagte der CSU-Politiker der "Berliner Morgenpost".

"Die Aufforderung von Peter Ramsauer an Berlin, sich mit dem modernen Wiederaufbau der untergegangenen Berliner Altstadt als einer großen urbanen städtebaulichen Aufgabe zu stellen, ist richtig", sagte Schmitz. Diese Aufgabe könne allerdings nicht damit beginnen, dass als erstes das Marx-Engels-Denkmal abgeräumt wird. "Geschichte lässt sich so nicht entsorgen", argumentierte der Kulturstaatssekretär.

Die Grünen-Stadtentwicklungsexpertin Antje Kapek schlussfolgerte, Ramsauer habe "keine Ahnung von Berlin". Die Stadt lebe von Brüchen und einer bewegten Geschichte. "Zudem sind Marx und Engels nicht Stalin. Sie können durchaus einen Platz in der Berliner Mitte haben", argumentierte Kapek. Ramsauer sollte sich besser um seine eigentlichen Hausaufgaben kümmern - eine abgestimmte Hauptstadtplanung.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hält es zwar auch für notwendig, das Umfeld des Humboldt-Forums neu zu gestalten und will dazu im Sommer einen Wettbewerb starten. Aber "ein Vorschlag, das Marx-und-Engels-Denkmal nach Friedrichsfelde umzusetzen, ist ebenso erstaunlich, wie er geschichtsvergessen ist: Berlin hat eine bewegte Geschichte und ist eine aufgeschlossene Metropole, hier passen auch Schloss und Denkmal nebeneinander", sagte er der "Morgenpost".

CDU-Stadtentwicklungsexperte Stefan Evers erinnerte daran, dass die Diskussion um die Umgestaltung der historischen Mitte erst am Anfang stehe. Er wolle ihr nicht vorgreifen. Den Verzicht auf das Denkmal an dieser Stelle schloss Evers jedoch nicht aus.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, urteilte: "Es bestätigt sich erneut, dass Herr Ramsauer ein Kulturschänder ist und die bedeutendsten Philosophen und Ökonomen, die Deutschland hervorgebracht hat, noch nicht einmal im Mindestansatz schätzen kann. Meine Empfehlung an ihn: Lesen Sie ,Das Kapital\'!"

Das Denkmal, das wegen der Anzüge, in denen die beiden Theoretiker des Kommunismus stecken, im DDR-Volksmund auch "Sakko und Jacketti" genannt wurde, war 1986 aufgestellt worden.

Die Bronzegestalten des sitzenden Marx und des stehenden Engels waren vom Bildhauer Ludwig Engelhardt in doppelter Lebensgröße gestaltet worden. Seit dem Mauerfall waren immer wieder Forderungen laut geworden, das Denkmal zu versetzen.

Auf dem Ort des Marx-Engels-Forums entstanden im 14. Jahrhundert die ersten Siedlungen Berlin und Cölln. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Stadtviertel völlig zerstört. (dpa/dapd)