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Ost-West-Gefälle bei Löhnen sorgt in der Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalts für Streit Arbeitgeber sehen Flächentarif bedroht

30.04.2013, 01:14

Dürfen Unternehmen ihren Beschäftigten an unterschiedlichen Standorten in Deutschland unterschiedlich viel Geld zahlen? Diese Frage entzweit Arbeitgeber und Gewerkschaften in der Ernährungsbranche in Sachsen-Anhalt.

Magdeburg l Die Tarifbindung von Unternehmen ist in Sachsen-Anhalt noch immer schwach ausgeprägt. Für den Verband der Ernährungswirtschaft (VdEW) ist es daher schon ein Erfolg, wenn sich 17 Betriebe stets dazu bereit erklären, ihre rund 2500 Mitarbeiter nach Flächentarif zu bezahlen. VdEW-Geschäftsführer Michael Andritzky fürchtet jedoch, dass die Tarifgemeinschaft bald zerbrechen könnte.

Grund ist das Tarifgefüge bei Deutschlands zweitgrößtem Mineralwasserhersteller, der Mitteldeutschen Erfrischungsgetränke GmbH (MEG). Am Standort Leißling (Burgenlandkreis) bekommen die Mitarbeiter nämlich rund 500 Euro brutto weniger als ihre Kollegen in West-Bundesländern. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert deshalb, die Löhne anzugleichen. "Derartige Einkommensunterschiede sind nicht mehr zeitgemäß", sagt Verhandlungsführerin Petra Schwalbe. Sie verlangt nicht nur sechs Prozent mehr Lohn, es soll auch weitere "tarifliche Regelungen" für den Mineralwasserhersteller geben, um die Einkommensunterschiede abzubauen. Sonderregelungen für eine von 17 Firmen hat Andritzky aber bislang abgelehnt: "Sonst sprengt das die ganze Tarifgemeinschaft." Über einzelne Prozentpunkte bei Lohnsteigerungen lasse sich streiten, doch Sonderregelungen seien den anderen Unternehmen nicht zu vermitteln.

"Ich stehe zum Flächentarifvertrag."

Petra Schwalbe, Gewerkschafterin

Petra Schwalbe widerspricht Andritzky vehement. "Ich stehe zum Flächentarifvertrag", betont sie. In dem Vertragswerk seien die Firmen aber schon immer in unterschiedliche Vergütungsgruppen eingeteilt worden. Der VdEW habe außerdem oft versucht, Firmen in die Tarifgemeinschaft zu integrieren, bei denen bislang Haustarifverträge galten - jedoch nur, um künftige Mitarbeiter zu günstigeren Konditionen anzustellen.

Für Bewegung könnte aber eine Vereinbarung sorgen, die Schwalbe Anfang April mit MEG geschlossen hat. Sollten sich Gewerkschaft und Arbeitgeber auf einen neuen Flächentarif einigen, wird die Firma diesen anerkennen. Darüber hinaus will das Unternehmen eine Summe zusätzlich zahlen, um das Ost-West-Gefälle weiter auszugleichen. Andritzky betont, es sei wichtig, dass MEG den Flächentarif anerkenne. Die Einigung zwischen Firma und Gewerkschaft dürfte seine Bemühungen um gleiche Konditionen in der Tarifgemeinschaft aber unterlaufen haben.

Als mögliche Verhandlungstermine für einen neuen Flächentarifvertrag nannte Schwalbe den 2., 16. und 21. Mai. Dort soll es um das Angebot der Arbeitgeber gehen: Sie bieten 2,8 Prozent mehr Geld für 2013, ab April 2014 soll es noch einmal 2,6 Prozent mehr geben - jedoch nur für 15 Monate.

Abgelehnt hätte der VdEW die Forderungen, Auszubildenden eine Übernahmegarantie auszusprechen und den untersten Lohngruppen wenigstens 8,50 Euro im Monat zu zahlen. So herrsche nicht nur bei der Belegschaft des Getränkeherstellers in Leißling Unzufriedenheit, meint Schwalbe. Sie schließe deshalb auch Streiks weiterhin nicht aus.