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Lebensmittelhändler reagieren auf veränderte Lebensstile und Arbeitszeiten Ob in Berlin oder Magdeburg: Märkte öffnen teils 24 Stunden

Von Maren Martell 16.11.2010, 08:03

Berufstätige und Nachtschwärmer können sich freuen: Konnte lange nur an Tankstellen oder Bahnhöfen noch spät eingekauft werden, gibt es in Deutschland immer mehr Supermärkte, die auch nach 22 Uhr offen haben. Die Gewerkschaften kritisieren den Einsatz billiger Minijobber.

Berlin (dpa). Schnell noch ein Salatöl und die vergessene Flasche Rotwein für das spontane Essen mit Freunden am Abend zu Hause einkaufen. In Berlin ist das vor allem in den vielen "Spätkaufs" möglich. Zwischen 200 bis 300 soll es davon in der Hauptstadt geben. Die kleinen quasi Tante-Emma-Läden gelten als Berliner Institution. Oft werden sie von türkischen oder asiatischen Familien betrieben. Konkurrenz machen ihnen jetzt die großen Supermarktketten. Gerade im Geschäft mit Lebensmitteln ist bundesweit ein Trend zur späten Ladenöffnung zu beobachten, vor allem in Ballungsgebieten und Großstädten.

Die Konzerne reagieren damit auf die veränderten Lebensstile und Arbeitszeiten. "Wir greifen den Trend auf, dass unsere Kunden dann einkaufen wollen, wann es der eigene Terminplan zulässt", sagt Rewe-Sprecherin Julia Robertz. Im gesamten Bundesgebiet testet das Unternehmen derzeit in 60 Supermärkten die Spätöffnung bis Mitternacht. Dabei sollen das wirtschaftliche Potenzial und der tatsächliche Bedarf ermittelt werden. Nach der Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes vor gut vier Jahren war die Handelskette eine der ersten, die ihre Supermärkte am Abend länger offen hielten. Derzeit können Kunden in 2300 der bundesweit 3300 Märkten auch nach 20 Uhr einkaufen.

Bei der Warenhauskette real gehen mittlerweile bei 270 der insgesamt 325 Märkte die Rollläden erst um 22 Uhr herunter. In Lübeck und Wolfsburg wird sogar bis Mitternacht geöffnet. "Die längere Öffnungszeit lohnt sich", heißt es. In einigen Märkten werde zwischen 20 und 22 Uhr gut 10 bis 15 Prozent des Tagesumsatzes erzielt. Viele Frauen schätzten ihre späten Arbeitszeiten in den Läden. Das passe oft in deren Lebensumstände und außerdem werde abends ja mehr Geld gezahlt, sagt Sprecher Markus Jablonski.

In Bremerhaven, Magdeburg, Halle an der Saale, Berlin und Wolfsburg gibt es Edeka-Supermärkte, die rund um die Uhr offen haben. Das seien vor allem Standorte, "an denen viel los ist". So in Wolfsburg in der Nähe des VW-Werkes und in der Werftenstadt Bremerhaven. In diese fünf Märkte kämen nicht nur Nachtschwärmer, um sich mit Bier und Chips einzudecken. "Wir sind schon längst keine Gesellschaft mehr mit homogenen Tagesabläufen. Es gibt durchaus Leute, die auch morgens um fünf ihr Waschpulver einkaufen", sagt Sprecher Andreas Laubig.

Die liberalen Möglichkeiten beim Ladenschluss schöpft der übrige Einzelhandel aber nur begrenzt aus. So öffnen beispielsweise Textil- und Möbelhändler höchstens bis 21 Uhr. Außerhalb von Ballungsgebieten oder Shoppingcentern sind diese hingegen oft schon um 19 Uhr zu. Die Befürchtungen von Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern seien nicht eingetroffen. "Wir haben uns keineswegs zu einer Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft entwickelt", sagt Heribert Jöris vom Handelsverband Deutschland HDE. Dass das ganz späte Shoppen keine Massenveranstaltung sei, zeige auch der Blick in die nächtlichen Innenstädte.

Liberal umgesetzt wurde das Ladenschlussgesetz von vor vier Jahren fast in allen Bundesländern. Nur in Bayern hat sich gar nichts geändert. Ansonsten ist vielerorts von Montag bis Samstag eine Ladenöffnung von 0.00 bis 24 Uhr möglich. Etwas eingeschränkt haben es die ostdeutschen Bundesländer bis auf Brandenburg sowie Rheinland-Pfalz und das Saarland. 20 Prozent Zuschlag gibt es in allen Ländern ab 18.30 Uhr. Ab 20 Uhr gibt es für den späten Arbeitseinsatz 50 Prozent mehr Geld, in Hessen und Nordrhein Westfalen ab 19.30 Uhr sogar 55, im Saarland ab 20 Uhr 60 Prozent.

Nach Auffassung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die Ausdehnung der Ladenöffnung den Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel nur noch verschärft. Viele Unternehmen würden in den späten Abendstunden zudem billige Minijobber einsetzen, denen oft nur rund fünf Euro pro Stunde gezahlt wird. Frauen klagten außerdem darüber, dass die vielerorts geforderte Flexibilität beim abendlichen Arbeitseinsatz häufig nur schwer zu stemmen sei.