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Pfizer will Rivalen AstraZeneca übernehmen Milliardenpoker in der Pharmabranche

Mit Medikamenten lässt sich viel Geld verdienen. Doch die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist riskant und teuer. Immer häufiger suchen die großen Pharmakonzerne deshalb ihr Glück in Zukäufen.

Von Erich Reimann und Johannes Haller 03.05.2014, 01:31

Frankfurt/Main (dpa) l Rund um den Globus rollt eine gewaltige Übernahmewelle durch die Pharmaindustrie. Der US-Pharmagigant Pfizer will für 106 Milliarden Dollar (77 Milliarden Euro) den britisch-schwedischen Rivalen AstraZeneca kaufen. Der Viagra-Hersteller Pfizer hat noch am gestrigen Freitag sein Angebot um fünf Milliarden Dollar aufgestockt und sich erneut eine Abfuhr eingeholt. Käme die Übernahme zustande, wäre es die größte Transaktion in der Pharmabranche seit Jahren. Den größten Teil des Kaufpreises will Pfizer mit Aktien bezahlen.

Und der deutsche Medikamentenhersteller Bayer greift angeblich nach Informationen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg trotz eines Preisschilds von rund 10 Milliarden Euro nach der Sparte für rezeptfreie Medikamente des US-Konzerns Merck Co. Auch vielen anderen Pharmakonzernen wird Kaufinteresse nachgesagt. Es ist ein Milliardenpoker um die Zukunft in einer Branche im Gange, die vor enormen Herausforderungen steht.

Denn die Pharmakonzerne sehen sich gleich von mehreren Seiten unter Druck. Die Sparbemühungen vieler Staaten im Gesundheitswesen - etwa in den USA oder Europa - drücken auf die Gewinne. Gleichzeitig macht den Konzernen der Ablauf von Patenten für wichtige Produkte zu schaffen. Manch langjähriger Kassenschlager verliert so praktisch über Nacht stark an Umsatz und Ertragskraft. Außerdem erweist sich die Entwicklung neuer Medikamente als immer schwieriger. Die Konzerne müssen Milliarden in ihre Forschungen investieren. Geld, das sich zuweilen in Luft auflöst, wenn die Neuentwicklungen die Erwartungen nicht erfüllen.

Kassen der Pharmariesen sind gut gefüllt

Immer häufiger suchen die Konzerne daher ihr Glück in Zukäufen. Der New Yorker Hersteller Pfizer etwa hat seit dem Jahr 2000 gut 244 Milliarden Dollar in Übernahmen investiert. Pfizer steht unter besonderem Druck, denn der Patentschutz für den einstigen Kassenschlager des Konzerns, den Blutfettsenker Lipitor, ist ausgelaufen, und auch beim Potenzmittel Viagra ist in wichtigen Märkten inzwischen der Weg für preisgünstigere Nachahmerpräparate frei.

Vergleichsweise bescheiden fielen dagegen zuletzt die Zukäufe von Bayer aus. Größter Brocken war 2006 der Kauf von Schering für 17 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr übernahmen die Leverkusener bereits den norwegischen Krebsspezialisten Algeta. Gesamtwert der Transaktion: rund 2,1 Milliarden Euro. Der Griff nach der Sparte für rezeptfreie Medikamente von Merck Co. könnte für Bayer Sinn machen. Rezeptfreie Mittel sind derzeit in der Gesundheitsbranche begehrt. Sie gelten als wichtiger Stabilisator mit geringeren Risiken im Vergleich zum klassischen Pharmageschäft. Bayer-Chef Marijn Dekkers hat erst kürzlich bekräftigt, dass der Konzern die Nummer eins in diesem Bereich werden wolle.

Beflügelt werden die Übernahmefantasien derzeit durch die gut gefüllten Kassen der Unternehmen. In der Finanzkrise haben auch die Pharmakonzerne ihr Geld gehortet. Nun sitzt etwa der US-Konzern Pfizer auf einem Barbestand von 70 Milliarden Dollar außerhalb der USA. Bei einer Rückführung in die USA würden hohe Steuern anfallen und Begehrlichkeiten bei den Investoren geweckt. Eine Übernahme wird so auch aus steuerlichen Gründen für manchen Konzern lukrativ.

Risikolos sind derartige Zukäufe allerdings nicht. Denn Großübernahmen haben sich in der Vergangenheit auch in der Pharmabranche nicht immer bewährt. Der Strom neuer Medikamente erhöhte sich nur selten dauerhaft.