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Mann aus Kalbenser Ortsteil zu Geldstrafe verurteilt 23-Jähriger verletzt seine eigene Mutter

Von Ilka Marten 11.05.2015, 03:27

Völlig zerrüttete Familienverhältnisse kamen bei einer Verhandlung am Gardeleger Amtsgericht zu Tage. Der Sohn hatte seine Mutter im August in ihrer eigenen Küche verletzt und gedroht, sie umzubringen. Trotz der Vorfälle wohnt der Mann noch bei seinen Eltern.

Gardelegen l Die Anklage lautet auf Körperverletzung und Sachbeschädigung, doch dahinter steckt eine Familiengeschichte, wie sie schlimmer nicht sein kann. "Ich dachte, wir sehen uns nicht wieder", wendet sich Strafrichter Axel Bormann an den Angeklagten (23), der aus einem Ortsteil von Kalbe stammt. Dass der Richter ihn kennt, hängt mit der langen Vorstrafenliste zusammen.

"Irgendwann bringe ich dich um, auch wenn ich dafür in den Knast geh`."

Drohung des Angeklagten

Allein 16 Mal saß der junge Mann seit 2008 auf der Anklagebank und wurde diverse Male - auch zu Freiheitsstrafen - verurteilt. Immer wieder Fahren ohne Führerschein, Körperverletzung und Sachbeschädigung, die Liste ist lang - und nun kommt eine weitere Tat dazu. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, im August 2014 seine Mutter gegen die Hängeschränke in ihrer Küche gestoßen zu haben, so dass sie zwei Beulen davontrug.

Er habe seiner Mutter dabei mit den Worten gedroht: "Irgendwann bringe ich dich um, auch wenn ich dafür in den Knast geh`." Außerdem habe er am Tag zuvor ein Stück gefrorenes Fleisch aus Wut in der Küche seiner Mutter so in die Spüle geworfen, dass diese dabei kaputtging.

Irgendwann in seiner Jugend sei er entgleist, formuliert es Richter Axel Bormann. "Alkohol, Obdachlosigkeit, er revoltiert und lebt bei vermeintlichen Freunden", fasst Bormann die vergangenen Jahre des Mannes zusammen. Der wirkt zumindest betroffen und blickt nach unten, während Bormann aus seinem Leben berichtet. Doch die Schuld für die Vorfälle im August - er stand zu dem Zeitpunkt noch unter Bewährung wegen einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren - sieht der Angeklagte nicht so sehr bei sich. "Da ist mir die Hutschnur geplatzt. Was man macht, ist Scheiße", begründet er, wieso das Fleischstück in die Spüle krachte. Er habe für sich und seinen Kumpel Essen machen wollen: "Und sie reizt mich immer."

"Alkohol, Obdachlosigkeit, er lebt bei vermeintlichten Freunden."

Strafrichter schildert Lebenslauf

Mit "sie" meint er seine Mutter, die nach ihren Schilderungen immer schon ihre eigene Küche verlässt, wenn ihr Sohn sich dort Essen zubereitet. Der 23-Jährige lebt zwar mit auf dem Hof, aber nicht mit Haus. Einer Arbeit geht er nicht nach, vegetiert ganz offensichtlich bei starkem Alkoholkonsum vor sich hin.

Dass das Fleisch in die Spüle krachte, hörte die 56-Jährige, sah es aber nicht, weil sie in der Stube war. "Ob es absichtlich war, kann ich nicht sagen", berichtet die Zeugin. "Die Spüle war jedenfalls kurz- und kleingetrümmert." Der Schaden: 300 Euro. Warum ihr Sohn so wütend war? Sie und ihr Mann hätten das Fleisch am Tag zuvor für ihn rausnehmen sollen, doch ihr Sohn sei so stark alkoholisiert gewesen. Deswegen ließen sie das Stück im Tiefkühlschrank.

Am folgenden Tag eskalierte die Situation, so dass die Mutter Anzeige erstattete. Sie selbst sei beim Mittagessenkochen gewesen, als er in die Küche gekommen sei: "Und dann habe ich ihn nur gebeten, er soll ein Brett zum Schneiden nehmen". Da rastete der Angeklagte aus: Er beschimpfte seine Mutter als Hure und schlimmer. "Es reicht ein Ton und er explodiert", schildert sie. Der Angeklagte dagegen sagt: "Ich bin immer Schuld." Doch es bleibt nicht beim verbalen Ausraster. Der junge Mann baut sich vor seiner Mutter auf. "Ich habe immer nur versucht, mit meinen Händen nicht auf die heißen Herdplatten zu kommen", so die 56-Jährige.

"Warum ist er überhaupt noch bei Ihnen?"

Dann schubst er seine Mutter noch zweimal hin- und her, so dass sie mit ihrem Kopf gegen die Hängeschränke stößt. Die Tat räumt der Angeklagte im Verfahren ein. Aber dann ist da noch die Drohung, dass er seine Mutter irgendwann umbringen werde. "Die ist doch eh nicht ernst gemeint", verteidigt er sich. Doch die Mutter hatte Angst, das sagt sie vor Gericht sehr deutlich und fügt hinzu, dass sie und ihr Mann erst vor wenigen Wochen die nächste Anzeige gegen ihren Sohn erstattet hätten. "Warum ist er überhaupt noch bei Ihnen?", fragt der Richter kopfschüttelnd. Die 56-Jährige antwortet, sie hätten Sorge, ihn vor die Tür zu setzen, weil er dann noch mehr anrichten würde, wenn er doch ins Haus zurückkäme: "Er hat schon so viel Sachschaden angerichtet."

"Irgendwann geschieht noch etwas Böses auf dem Hof."

Strafrichter

Von der Anklage bleibt am Ende die Körperverletzung (siehe Infokasten) und die Bedrohung. Dafür verurteilt der Richter den 23-Jährigen zu einer Geldstrafe von 900 Euro. Das Urteil ist gefällt, doch die Zustände unverändert: "Ich bin über die Verhältnisse erschüttert. Sie sind ein junger Mann, der außerhalb der Gesellschaft steht", so der Richter. Und deutlich: "Ich würde Sie rausschmeißen und eine einstweilige Verfügung beantragen." Die Wohnsituation mit den Eltern funktioniere schon lange nicht. "Sie leben für sich, und das können Sie, wenn Sie andere nicht beeinträchtigen."

Die Geldstrafe ist seine erste Verurteilung als Erwachsener. Mit Blick auf Zukunft des 23-Jährigen hat Bormann kein gutes Gefühl: "Irgendwann geschieht noch etwas Böses auf dem Hof, wenn Sie besoffen sind."