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  7. Bäume sind von Schädlingen befreit, aber Pilz bleibt

Mit Spritzeinsatz konnte der Befall der Kiefernwälder rund um Letzlingen abgewendet werden / Sekundärschäden durch Schwächeparasiten wären verheerend gewesen Bäume sind von Schädlingen befreit, aber Pilz bleibt

Von Sebastian Siebert 15.07.2011, 06:29

Die Schädlinge, die während des Frühjahres große Teile der Wälder im Gebiet des Betreuungsforstamtes Letzlingen befallen hatten, sind erfolgreich bekämpft worden. Das konnte Forstamtsleiter Gerhard Henke nun mitteilen. Die eigentliche Schwierigkeit liege aber in einem weitverbreiteten Pilzbefall, so der Fachmann. "Und dagegen kann momentan nichts unternommen werden."

Letzlingen. Diplodia - das ist der Name des Pilzes, der weiträumig die Bäume im Gebiet des Letzlinger Forstbetreuungsamtes befallen hat. Forstamtsleiter Gerhard Henke erklärt: "Das ist ein Schwächeparasit. Gesunden Bäumen kann er nichts anhaben, aber hat der Baum gegen einen anderen Feind zu kämpfen und ist geschwächt, breitet sich der Pilz aus." In gewisser Weise sei das wie bei Herpes am Menschen. Nur die Folgen sind fataler. "Der Pilz wächst dann in die Wasser- und Nahrungsleitungen des Baumes und verschließt diese. Der Baum geht dann daran zugrunde."

Daher war auch ein Eingreifen gegen verschiedene andere Parasiten nötig, erklärte der Forstamtsleiter weiter. "Und es war erfolgreich." Vom 6. bis zum 9. Juni wurden Schädlingsbekämpfungsmittel mit zwei Hubschraubern über drei Waldgebieten zwischen Gardelegen und Letzlingen ausgebracht. "Wir hatten bereits im Winter und Frühjahr festgestellt, dass sich eine erhöhte Larvenpopulation von diversen Schädlingen entwickelt", sagte Henke. Diese selbst wären nicht unbedingt problematisch gewesen, allerdings musste "mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden", so Henke, dass die Folgeschäden durch den Pilz gravierend gewesen wären.

Die Ergebnisse der Bekämpfung, die nun vorliegen, seien zufriedenstellend. "Foreule, Nonnenspinner, Kiefernspinner und Blattwespen sind unter den Schädlingen gefunden worden", sagte Henke. Das sind die Ergebnisse der Fallprobe.

Karate-Mittel für den schnellen Erfolg

Bei der Bekämpfung seien zwei Mittel zum Einsatz gekommen, Karate-Forst-flüssig und Dimilin. "Karate ist ein effektives Mittel, es tötet praktisch sofort, hält allerdings nicht lange vor. Es kam in dem kleineren Teil der Gebiete zum Einsatz, welche allerdings die höhere Larvenanzahl aufzeigten", erklärte der Forstamts- leiter.

Dimilin wurde weitaus mehr verwendet. "Es ist schonender und greift in den Chitinbildungsprozess der Larven ein. Damit können sie sich nicht mehr weiterentwickeln und gehen zugrunde", so Henke. Den Erfolg dieser Maßnahme habe der Amtsleiter mit seinen Mitarbeitern selbst überprüfen können. "Die Larven fressen permanent und scheiden auch permanent Kot aus", erklärte er. Da auch die toten Larven noch an den Bäumen haften, ist der herabfallende Kot das Indiz. "Wir spannten ein Tuch und warteten. Als nach einiger Zeit nach dem Einsatz kein Kot mehr fiel, war sicher, dass die Insekten verendet sind", sagte er.

In den mit dem Karate-Wirkstoff behandelten Gebieten wurde mittels der Fallprobe der Erfolg ermittelt. "Das haben die Mitarbeiter von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt aus Göttingen übernommen. Diese sind unsere wissenschaftlichen Partner", sagte Henke. Da bei diesem Wirkstoff die Schädlinge von den Bäumen fallen, wurden die Insekten an rund 70 Messpunkten im Wald auf jeweils einem einen Quadratmeter großen Tuch aufgefangen und in das Labor zur Bestimmung gebracht. "Das Auszählen der Parasiten geht zwar schnell, aber die Bestimmung der nicht einmal einen Zentimeter großen Larven dauert recht lange." Mit rund 20 Tieren auf dem Quadratmeter sei die Larvenbelastung hoch gewesen, berichtete Henke.

Das Schlimmste scheint abgewendet zu sein

Nun ist er aber guter Dinge, das Schlimmste abgewendet zu haben. "Rund 2400 Hektar haben wir behandelt, rund 500 davon mit Karate-Forst-flüssig." Für das Spritzen gegen Schädlinge sei nur unter strengsten Auflagen und mit zahlreichen Nachweisen eine Ausnahmegenehmigung zu erlangen. Dass es überhaupt möglich wurde, zeige, wie ernst die Lage gewesen sei. Zwar rechne der Forstamtsleiter trotzdem noch mit Verlusten - und zwar durch Schädlinge, welche erst im Herbst aktiv werden -, aber diese zu erwartenden Sekundärschäden seien nun vergleichsweise gering.

Parasitenbekämpfung nicht möglich

Gegen den Pilz an sich könne kaum etwas unternommen werden: "Ja, es gibt Möglichkeiten, aber die Wirkungsweise ist zu umweltschädlich." Da der Pilz mitten im Holz lebe, müsste ein Gegenmittel direkt über die Wurzel durch den Baumorganismus geschleust werden. "Wir müssten den Baum im Grunde vergiften." Dazu müsse das Wirkmittel auf die Wurzel gegossen werden, "welche dann wahrscheinlich nur einen Bruchteil davon aufnimmt. Der meiste Teil würde im Erdreich versickern und die Folgen wären unabsehbar."

Die nun benutzten Mittel hingegen lösen sich mit der Zeit selbst auf. "Trotzdem gilt in den behandelten Gebieten immer noch ein Verbot, Pilze und Beeren zu sammeln und zu essen", macht der Amtsleiter deutlich. "Sicher ist sicher." Schilder seien aufgestellt und weisen darauf hin, meinte er.

Im Frühjahr vergangenen Jahres war den Mitarbeitern des Betreuungsforstamtes aufgefallen, dass die Kiefern in weiten Teilen nicht mehr austrieben. "Die Untersuchungen hatten ergeben, dass eben jener Pilz daran schuld war", erklärte Gerhard Henke über die Hintergründe der breit angelegten Waldrettungsaktion. "Zuvor hatten die Bäume einige Schädlinge, welche allerdings nicht die Knospen der Bäume zerstören. Wir hatten einen Austrieb erwartet." Erst nachdem die Mitarbeiter des Göttinger Forschungsinstitutes Untersuchungen angestellt hatten, war der Pilz nachgewiesen worden. "Eine der dortigen Mitarbeiterinnen forscht langjährig über den Pilz. Allerdings ist dessen Hauptvorkommensgebiet Südeuropa, nicht hier bei uns", sagte der Fachmann.

"Man kann zur Klimaerwärmung ja stehen, wie man will, wir beobachten nun schon seit längerem, dass wir es mit Schädlingen zu tun haben, für die unsere Region normalerweise zu kalt ist."

Rund 160 Hektar Wald seien wegen des Pilzes im vergangenen Jahr kahlgeschlagen worden, mehrere hundert mussten "scharf durchforstet werden".