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Einweihung des Genthiner Postamtes am 30. September 1894 / Zu DDR-Zeiten entsteht das von Burg unabhängige Hauptpostamt Genthin 1960 wird endlich der eisenbereifte Bahnhofswagen abgelöst

Von Otto Schulze 25.04.2013, 01:16

Der Geschichte des Genthiner Postamtes in der Poststraße (früher Königstraße) geht Ortschronist Otto Schulze auf den Grund.

Genthin l Das Genthiner Postamt wurde am 30. September 1894 feierlich eingeweiht. Es steht in der Poststraße 5, die bis zum Jahre 1914 Königstraße hieß. Es wurde von der Bevölkerung oft und gern genutzt. Waren doch Postkarten und Briefe neben Telegrammen die einzigen Kommunikationsmittel.

Wir schreiben des Jahr 1959, als der Ministerrat der DDR einen weitreichenden Beschluss über die Änderung der Organisation des deutschen Postwesens fasste. Ab jetzt sind die Zuständigkeitsbereiche der Hauptpostämter und Fernmeldeämter im gesamten Gebiet der DDR gleich den Regeln der politischen Kreise. Das Postamt Genthin wurde am 1. Oktober 1959 vom Hauptpostamt Burg getrennt und selbstständig.

Als Leiter des Hauptpostamtes Genthin wurde der bisherige Leiter des Hauptpostamtes Tangerhütte, Oberinspektor Wilhelm Helmike, berufen. Die neuen Abteilungsleiter, Dienststellenleiter und Sachbereichsleiter wurden im Hauptpostamt Burg auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet. Am 1. Januar 1960 war das Hauptpostamt Genthin voll arbeitsfähig.

Da das Fernmeldeamt auf Grund immer modernerer Technik seine Struktur zu diesem Zeitpunkt auch veränderte, wurden im Postmietgebäude Räumlichkeiten frei. Es konnten nach Verhandlungen zwischen dem Hauptpostamt Genthin und dem Fernmeldeamt folgende Dienststellen untergebracht werden: Abteilung Planung und Finanzen/ Abteilung Arbeit und Löhne/ Abteilung Kader und Schulung und der Postzeitungsbetrieb.

Die erste Anschaffung des Hauptpostamtes Genthin war der Kauf eines Elektrokarrens mit zwei luftbereiften Bahnhofshandwagen als Anhänger. Damit wurde die schwere körperliche Arbeit der Beschäftigten des Bahnhofdienstes erheblich erleichtert. Bis zu diesem Zeitpunkt musste die gesamte Post - Eingang und Ausgang - mit einem eisenbereiften Bahnhofswagen vom Postamt zum Bahnhof und umgekehrt befördert werden.

Oberinspektor Wilhelm Helmike wurde im August 1961 als Leiter des Hauptpostamtes abgelöst und zur Bezirksdirektion für Post und Fernmeldewesen in Magdeburg versetzt. Die kommissarische Leitung wurde Oberinspektor Joachim Aßmann, Mitarbeiter der Bezirksdirektion, übertragen.

Am 1. September 1962 gab es erneut einen Wechsel an der Spitze unseres Hauptpostamtes. Der bisherige Leiter des Postamtes Calbe/Saale, Inspektor Günter Dalchow, wurde als neuer Leiter berufen. Er war es, der bis zur Wende 1990 seinen Aufgaben nachkam.

Am 10. Mai 1965 wurde zur Verbesserung der Postbeförderung zwischen Genthin und Magdeburg eine Kraftgüterpost eingerichtet. Für diese Kraftgüterpost erhielt das Hauptpostamt Genthin einen Lastkraftwagen, Typ H 3 A. Nun konnten die abgehenden Sendungen abends nach Magdeburg und die Tageszeitungen morgens nach Genthin mit dem Lkw befördert werden.

Um die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, bekam das Hauptpostamt zwei elektrisch betriebene Wertzeichen-, also Briefmarkenautomaten. Diese wurden in der Empfangshalle des Waschmittelwerkes und in der Fernsprechzelle auf dem Ernst Thälmannplatz (heute Marktplatz) angebracht.

1967 wurde die Fünf-Tage-Arbeitswoche in der DDR eingeführt. Im Postzustellbezirk Klein Wulkow wurde 1966 und in Hagen 1967 in der jeweiligen Ortsmitte eine Zustellbriefkastenanlage eingerichtet. Diese waren für den Landzusteller eine große Arbeitserleichterung.

Am 13. November 1972 zog einer der heftigsten Orkane über unsere Stadt, den Genthin je erlebt hat. Mit seinem Hauptstörfeld zog er über Niedersachsen, den Bezirk Magdeburg bis nach Berlin. In unserer Stadt richtete er mit Windgeschwindigkeiten zwischen 120 und 150 Stundenkilometern enorme Schäden an. Das Postamt war besonders betroffen. Hatte sich doch der Architekt mit den beiden Zieraufbauten zur Vorderseite etwas Besonderes einfallen lassen. Diese waren eine Zierde in der Straße und strichen das Postamt heraus. Die Aufbauten waren es aber auch, hinter denen sich der Sturm verfangen konnte. Sie rissen aus der Verankerung und waren absturzgefährdet. Die Poststraße musste für eine bestimmte Zeit gesperrt werden. Der Verkehr wurde über die Dimitroffstraße, heute Magdeburger Straße, umgeleitet. In der Poststraße wurde vom Kreisbaubetrieb Sand aufgeschüttet, um Straßenschäden zu vermeiden. Umsichtige Baufachleute nahmen den Abriss in die Hand. Das Dach wurde wieder repariert und am 14. Oktober 1974 neu eingedeckt.

Ja, viel hat das Postamt in den rund 100 Jahren erlebt und mitgemacht. Heute wird dieses immer noch schöne Gebäude als Wohnhaus genutzt. Die Post ist in die Bahnhofstraße in ein Teilgebäude der ehemaligen PGH Motor umgezogen und hat Schalter in einem Supermarkt.

Die Poststelle in Altenplathow gibt es noch. Briefträger im herkömmlichen Sinne gibt es nicht mehr. Der Briefträger ist heute Postzusteller und motorisiert. Auch hat das Telegramm, das uns jahrzehntelang begleitete, ausgedient.