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Seit 2008 gibt es Pläne, eine kommunale Kläranlage für Genthin und Jerichow zu bauen TAV-Kläranlage: Ende gut, alles gut?

Von Simone Pötschke 12.12.2014, 02:13

Weil die Einleitung der kommunalen Abwässer mit den Jahren immer teurer wurde, hatte die TAV-Verbandsversammlung den Bau eines eigenen Klärwerkes in Erwägung gezogen. Das war im Jahr 2008. Seitdem steht eine Entscheidung aus. Seit anfänglichen Aufregungen halten die Beteiligten nun die Beine unter dem Tisch still. Der Grund: ein neues ReFood-Angebot.

Genthin l Seit 2005 setzte eine nahezu 30-prozentige Steigerung der Entgelte für die Reinigung der kommunalen Abwässer in der Kläranlage der Firma Saria auf dem ehemaligen Henkel-Gelände ein, die der TAV nicht mehr hinnehmen wollte. So fasste die Verbandsversammlung den Beschluss, eine neue Kläranlage zu bauen, um einer weiteren Kostenexplosion zu entgehen und um damit die Gebührenstabilität zu gewährleisten.

Mit dem Vorschlag, eine neue kommunale Kläranlage für 7,5 Millionen Euro an der Karower Straße, an der stillgelegten Kläranlage, zu bauen, die ausschließlich für die Abwässer der Städte Genthin mit Mützel und Jerichow bestimmt sein soll, warf die Verbandsversammlung den Hut in den Ring.

Die Überlegungen des TAV gestalteten sich präzise: Die Kläranlage soll auf der Grundlage der biologischen Abwasserreinigung mit anschließender Klärschlammfaulung unter der Gewinnung von Biogas und der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung arbeiten.

Geschäftsführer Bernd Kremkau war im März 2012 optimistisch: "Ich glaube, dass sich die Wasserbehörden den finanziellen Vorteilen für die Bevölkerung nicht verschließen können", sagte er 2012 im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren.

Die Verbandsversammlung hatte sich vor ihrer Entscheidung von einem unabhängigen Experten Rat eingeholt. So lag den Mitgliedsgemeinden eine Konzeptionsstudie des Instituts für Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Hochschule Braunschweig vor, die verschiedene Varianten bei einer Größenordnung von 20000 Einwohnern als Richtwert darlegte. Dabei ging die Studie für die Kläranlage davon aus, dass die Reinigung der Industrieabwässer weiter in der Rethmann-Kläranlage am Standort des Waschmittelwerks erfolgt. Mit dem Bau einer neuen Kläranlage war für den Verband seinerzeit eine jährliche Kosteneinsparung von circa 100 000 Euro nachweisbar, was wiederum für den Gebührenzahler eine Senkung um zehn Cent pro Kubikmeter Abwasser bedeuten würde.

Wie zu erwarten, überließ ReFood alles andere als kampflos dem TAV mit diesem Vorhaben das Feld.

ReFood: Plädoyer für eine Gemeinschaftslösung

So ging ReFood bei Gesprächen mit Unternehmen und beim Stadtrat in die Offensive. Nur eine gemeinsame Abwasserklärung biete Vorteile für Kommune und Industrie, so der Kern der ReFood-Argumentation.

Der TAV Genthin erhebt gegenwärtig eine Gebühr in Höhe von 2,65 pro Kubikmeter Abwasser und zählt damit zu den günstigsten Kommunen in Sachsen-Anhalt (Das Land berechnet durchschnittlich einen Beitrag in Höhe von 3,09 Euro pro Kubikmeter). Auch die monatliche Abwassergrundgebühr des TAV liegt in Genthin unter dem Landesdurchschnitt. Diesen günstigen Genthiner Abwasserpreis führte ReFood wiederum darauf zurück, dass die Kläranlage ihres Unternehmens mit geringen Fixkosten belastet sei.

Das Unternehmen sieht in der derzeitigen Gemeinschaftslösung, die auf der Grundlage des Abwasserbeseitigungsplanes für den Raum Elbe-Havel-Kanal, Gloine und Genthin/Tucheim seit Januar 2002 Bestand hat, eine Praxis, die für alle Seiten "ökologische und wirtschaftliche Vorteile" zu bieten hat. Diese seien wiederum mit dem Neubau einer separaten Kläranlage eigens für kommunales Abwasser gefährdet, das mengenmäßig den weitaus größten Anteil der Einleitmengen ausmacht, befürchtete ReFood. 2011 wurden in die Kläranlage 1 038 450 Kubikmeter kommunales und 272 348 Kubikmeter industrielles Abwasser eingeleitet. 2012 waren es 930 576 Kubikmeter kommunales und 278 334 Kubikmeter industrielles Abwasser. Im vergangenen Jahr gab es nur geringfügige Veränderungen. In die ReFood-Kläranlage wurden seinerzeit 935 000 Kubikmeter kommunales und 270 000 Kubikmeter industrielles Abwasser eingeleitet.

Das Unternehmen beruft sich bei seinen Bedenken auf ein Gutachten von Prof. Karl Ulrich Rudolph. Der Umweltexperte sei in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine eigene TAV-Anlage für kommunales Abwasser die Kosten für Industriebetriebe wie auch für die Bürger steigen lassen würde. Der Gutachter geht von mehr als einer Verdopplung für die Industriebetriebe aus. Prof. Rudolph stütze sich in seinem Gutachten darauf, dass die gemeinsame Reinigung bei der Abwasserarten Synergieeffekte berge, die ansonsten wegfielen. Ohne die zusätzlichen kommunalen Abwässer müsste ReFood etwa Betriebsstoffe zum Ausgleich von pH-Wert und Nährstoffdefizite hinzukaufen. Das mache nicht nur die Abwasserreinigung teurer.

Auch die derzeit gute Ökobilanz wurde dadurch beeinträchtigt, hieß es. Käme es zum Bau einer separaten Kläranlage des TAV müsste die ReFood-Anlage zudem für rund 3,4 Millionen Euro umgebaut werden. Damit würden die Fixkosten und die Abwassergebühren für die Industriebetriebe deutlich steigen, führten Vertreter von ReFood an.

Nach diesen Diskussionen wurde es etliche Monate ruhig um den vom TAV angestrebten Neubau einer eigenen Kläranlage. Selbst über Ergebnisse und Inhalte der Gespräche zwischen dem Landesverwaltungsamt Halle als Obere Wasserbehörde, dem TAV und der ReFood sickerte nichts in die Öffentlichkeit durch.

Mit einem neuen Gutachten, das der TAV in Auftrag gegeben hat, gibt es nun offensichtlich einen neuen Sachstand. Das Gutachten, so Kremkau, belegt, dass mit einer TAV-eigenen Kläranlage nur marginal die Preise gesenkt werden könnten.

TAV: Es gibt kaum wirtschaftliche Vorteile

"Derzeit hätten wir wirtschaftlich kaum Vorteile durch den Bau einer Kläranlage", sagte Kremkau.

Und: Das Gutachten ließe nicht den Vorteil erkennen, den sich die Verbandsversammlung und die Geschäftsleitung erhofft hätten. Kremkau sagte, dass diese Analyse verstärkt werde durch den Bevölkerungsrückgang, der seinen sichtbaren Ausdruck findet im Rückbau von Wohnblöcken sowie den Leerstand in den Städten und Dörfern. Außerdem sei die Entwicklung der Industrie und des Gewerbes in der Region schwer einzuschätzen. Kremkau formulierte für den TAV den aktuellen Status quo: Saria sei weiterhin an einer Zusammenarbeit mit dem TAV interessiert und sei gewillt, einen Vertrag über die Einleitung kommunaler Gewässer über weitere zehn Jahre abzuschließen. "Wir erwarten ein faires Angebot von Saria, dann werden wir uns entscheiden", sagte der Geschäftsführer.Wie Marcel Derichs von der ReFood-Pressestelle in Selm dem Genthiner Rundblick gestern zur Auskunft gab, habe das Unternehmen dem TAV inzwischen ein "überzeugendes Angebot" unterbreitet. "Wir sind positiv gestimmt, vernünftige Lösungen zu finden." Mitte Januar würden die Gespräche mit dem TAV aufgenommen werden.