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Letzte Station beim "Volksstimme-Sommerabenteuer" führt ins Baumkuchenhaus Nr. 1 nach Wernigerode Von einem, der mal groß werden wollte und doch lieber klein geblieben ist

Von Ingmar Mehlhose 23.08.2013, 03:12

Das "Sommerabenteuer" der Volksstimme öffnet für Leser Unternehmen, Denkmale sowie Kulturschätze und gewährt Einblicke der besonderen Art. Am Mittwoch hat Baumkuchenbäcker Rolf Dieter Friedrich in Wernigerode dafür sogar in sein Allerheiligstes gebeten.

Wernigerode l Seit September 2008 ist der Neustadter Ring 17 im Wernigeröder Gewerbegebiet Nord-West eine gefragte Adresse für Naschkatzen. Seinerzeit hatte sich Rolf Dieter Friedrich seinen Traum verwirklicht. Hinaus aus den beengten Räumen in der Friedrichstraße auf ein gut 5000 Quadratmeter großes Stück grüne Wiese am Stadtrand.

Für die 28 Teilnehmer an der sechsten und letzten Station beim "Volksstimme-Sommerabenteuer" gewährt der Baumkuchenbäcker am Mittwoch sogar Einblicke in sein Allerheiligstes - die eigentliche Produktionsstätte. Der 62-Jährige: "Das ist eine absolute Ausnahme." Zumindest fast, denn in der Vergangenheit waren schon des öfteren Berufskollegen bei ihm zu Gast. Zum Beispiel aus Japan und Litauen.

Letztere sind längst zu guten Freunden geworden. Sie haben Friedrich zur Einweihung ein ungewöhnliches Geschenk übereignet. 1,80 Meter hoch und 50 Kilogramm schwer ist der Riesenbaumkuchen neben der Schaubäckerei, "der nicht schimmlig geworden ist und zusammengefallen". Der das anerkennend sagt, aber dennoch lieber nicht davon kosten mag, ist ebenfalls ein Meister seines Faches.

Klaus Riemland stammt aus Salzwedel. Dort hat er sein berufliches Handwerk als Konditor gelernt - inklusive der Herstellung des königlichen Kuchens. Seit dem 1. März 2012 arbeitet der heute im niedersächsischen Roklum lebende 51-Jährige bei Rolf Dieter Friedrich. Zuvor war er lange Zeit selbständig als Landbäcker tätig.

Riemland hat sichtlich Spaß an seinem Tun. Er steht mit einer großen Kelle am Ofen und bestreicht "die Masse", die sich auf einer großen Walze dreht. Eier, Zucker, Mehl, Marzipan, Sahne, "eine kleine Prise Salz" und anderes mehr enthält der Teig. Die Butter muss bereits am Tag zuvor bei Raumtemperatur aufgelöst und dann erhitzt werden. Klaus Riemland: "Jede Schicht wird einzeln braun gebacken. Dadurch entsteht ein ganz eigenes Aroma."

Zwei verschiedene Sorten werden in Wernigerode hergestellt. Die eine ist glatt und besteht aus maximal zwölf Schichten, die andere wird nach der achten Lage "gekämmt", damit die von Kennern so geschätzten Ringe entstehen. Auf Länge geschnitten werden die Laibe jeweils nach Bedarf.

Für die Glasur stehen verschiedene Schokoladen von zartbitter bis weiß und Zuckerguss zur Auswahl. Bei den Füllungen sind der Phantasie dagegen keinerlei Grenzen gesetzt. Jede beliebige Geschmacksrichtung lässt sich verarbeiten. Sogar herzhaft-defitg mit verschiedenen Gewürzen bis hin zu Knoblauch und Zwiebeln.

Der Konditor: "Wir backen auch Sonderformen." Kleine Kugeln etwa, die dann als Fußball dekoriert werden. Große Kugeln, aus denen Pokale entstehen. Und Glocken. Oder manchmal auch Torten. Klaus Riemland: "Fast alles ist Handarbeit." Und: "Da ist viel Fingerspitzengefühl gefragt."

Produziert wird im Sommer alle zwei, drei Tage - bei Wärme ist die Nachfrage geringer. Zu Spitzenzeiten wie vor dem Weihnachtsfest glüht der Gasofen aber sogar an den Wochenenden bis an die Grenzen der Kapazität. Der 51-Jährige: "Das ist wie für den Bauern die Ernte." Vermarktet werden die Erzeugnisse selbst beziehungsweise mit einigen örtlichen Partnern.

Eine Tür weiter lüftet Rolf Dieter Friedrich dann einige Geheimnisse, aber längst nicht alle. Für einiges Erstaunen sorgt der Meister zunächst mit einer Maschine, 1970 in Japan konstruiert. Ersatzteile gibt es dafür keine mehr, sagt er. Vieles kann man selbst reparieren. Muss es sogar, wenn am Wochenende kein Monteur verfügbar ist

120 Kilogramm Teig plus 30 Kilo Schokolade pro Backtag: Das mag dem Laien nicht gerade als viel erscheinen, so der Konditor weiter. Aber: "Wir machen alles selbst." Der Versuch, sich mit einem Hersteller von Backmischungen zu verbünden, "hat sich irgendwo zerschlagen". Ebenso die Idee, es mit Dinkel- statt Weizenmehl zu probieren. Der Chef: "Der Baumkuchen an sich gibt so viel her."

Ebenso gesteht er freimütig ein: "Am Anfang wollte ich mal groß werden." Gespräche mit einer bekannten Einkaufskette verliefen seinerzeit aber im Sande. Darüber ist er heute froh. Er sagt: "Ich bleibe lieber der kleine Friedrich." Dessen berufliche Laufbahn hatte 1982 beim VEB Backwaren Wernigerode begonnen. 1992 folgte der Schritt in die Selbständigkeit. Für den Neubau am Neustedter Ring und einen modernen Maschinenpark hat er eigenen Angaben nach rund 1,5 Millionen Euro investiert. Acht Beschäftigte zählt das Unternehmen derzeit.

"Die Ware ist von gestern. Sie muss heute überzogen werden, denn sonst trocknet sie aus", erläutert der Fachmann. Er schneidet aus dem Teig kleine und größere Streifen. Dann legt er sie auf ein Band. Das verschwindet in einer silbernen Metallröhre. An deren Ende gelangen nur kurze Zeit später dunkel-süß umhüllte Köstlichkeiten zurück an das Tageslicht.

Nicht die letzte Leckerei, die Rolf Dieter Friedrich seinen Gästen kredenzt. Im Café nebenan wartet bereits Kellnerin Catrin Kusch.

Am Schokoladenbrunnen.