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Stadtarchiv Halberstadt Säurefraß bedroht Dokumente, die 45 Jahre Stadtgeschichte belegen

Vor dem sicheren Verfall konnten wertvolle Geschichtsdokumente des
Stadtarchivs Halberstadt gerettet werden. Die Akten belegen 45 Jahre
Stadtgeschichte.

Von Jörg Endries 11.02.2015, 02:23

Halberstadt l Schätze bewahrt das Historische Stadtarchiv im Gleimhaus Halberstadt, die die alte und jüngere Geschichte der Stadt dokumentieren. Akut im Bestand gefährdet waren Dokumente aus neuerer Zeit, aus den Jahren von 1945 bis 1990. Für deren Rettung hat das Historische Archiv Fördergeld erhalten. Mittlerweile sind die Akten von der Konservierung in Leipzig wieder nach Halberstadt zurückgekehrt.

Für 72 laufende Meter Akten, die die Entwicklung Halberstadts nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung 1990 belegen bestand die Gefahr, dass der Säurefraß 45 Jahre Zeitgeschichte einfach auslöscht.

Hunderte Bewerbungen für Modellprojekt

Die Rettung kam von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK), informiert Archiv-Chefin Franziska Schumacher. Das KEK unterstützte im Jahr 2014 zum bundesweiten Thema "Verblassende Schrift - Verblassende Farbe" 22 Modellprojekte. Hunderte von Bewerbungen trafen bei der Institution mit Sitz in Berlin ein. Darunter auch die Bewerbung aus Halberstadt.

Der bedrohte Bestand aus dem Archiv beinhaltet zahllose Akten des ehemaligen Rates der Stadt Halberstadt aus den Jahren von 1945 bis 1990. Er dokumentiert die verwaltungstechnische, aber auch kulturelle und teilweise bauliche Entwicklung der zerstörten Stadt in der Nachkriegszeit und im kompletten Zeitraum der Deutschen Demokratischen Republik. Außerdem enthält er wichtige Informationen, zum Beispiel zum ehemaligen Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge wie Lagerlisten der ehemaligen Fremdarbeiter, der Kriegsgefangenen und der KZ-Häftlinge, aber auch Informationen zu den Verpflegungskosten, berichtet Franziska Schumacher.

Das Problem - die wertvollen Akten bestehen zu etwa 75 Prozent aus Thermo- beziehungsweise Ormigpapier. Diese Papierarten unterliegen dem endogenen Zerfall, sprich Säurefraß. Damit sind die Stabilität und die Lesbarkeit der Informationen in den Akten, die zusätzlich durch abbauende Tinte beeinträchtigt ist, nicht dauerhaft gewährleistet.

Ein Entsäuerungsverfahren und anschließende säurefreie Lagerung in Spezialkartons kann Abhilfe schaffen.

Aus diesem Grund bewarb sich das Archiv um eine finanzielle Förderung und erhielt sie auch. Als eine der wenigen Institutionen bekamen die Domstädter den Zuschlag für eine Vollfinanzierung in Höhe von 33 805,28 Euro. Mit dieser Summe konnten 30 laufende Meter des insgesamt 72 laufende Meter umfassenden Bestandes für die Nachwelt gesichert werden, sagt die Archiv-Chefin und ist erfreut.

"Dass es Zeit wurde, zeigt der vom Zentrum für Bucherhaltung erstellte labortechnische Untersuchungsbericht. Die Akten wiesen einen PH-Wert von 4,9 (alles unter 7 bezeichnet man als sauer) auf, wodurch die Papiere stärker abgebaut werden", erzählt Franziska Schumacher. Nun liegt der Wert bei 8,2. Ein alkalischer Puffer von 1,87 Prozent wurde ins Papier eingearbeitet, wodurch der Zerfall verlangsamt wird. Papier mit einem PH-Wert zwischen 7,5 und 9 bezeichnet man als alterungsbeständig, und der Erhaltungszeitraum verlängert sich.

Weitere Akten warten auf Rettung

Nach der Rückführung der Akten konnte mit der Neuverpackung des Teilbestandes in säurefreie Jurismappen und Archivkartons durch die Mitarbeiterinnen des Stadtarchivs begonnen werden. "Kein leichtes Unterfangen, denn jede einzelne Akte bedarf einer separaten Sichtung, um alle noch vorhandenen schädlichen Materialien zu entfernen. So müssen jede Tackernadel und Büroklammer sowie jeder Bindfaden und ähnliches beseitigt werden", sagt Franziska Schumacher. Sie und die Archiv-Mitarbeiter hoffen nun, dass die restlichen Akten durch rechtzeitige Konservierung gerettet werden. Dafür wollen sie sich erneut um Fördergeld bemühen.