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Lebenshilfe Ostfalen zeigt Gewalt-Präventionsausstellung Gemeinsam "echt stark" sein

Von Margarethe Bayer 05.06.2015, 03:17

Sechs Stationen für ein oft totgeschwiegenes Thema: Sexuelle Gewalt und Missbrauch. Die Ausstellung, welche die Lebenshilfe Ostfalen nach Hundisburg geholt hat, will aufklären und Mut machen. Auf verständliche Weise werden die Beschäftigten der Behindertenwerkstatt in Hundisburg dadurch "stark gemacht".

Hundisburg l Die Lebenshilfe Ostfalen hat sich seit 2013 in den Werkstätten und Wohnbereichen ausgiebig mit dem Thema der Gewaltprävention beschäftigt. Anlass dafür war eine Studie. Darin wurde festgestellt, dass Menschen mit Beeinträchtigungen häufiger von Gewalt betroffen sind als Menschen ohne geistige oder körperliche Behinderung. Das erschreckende Ergebnis: Jede dritte bis vierte Frau mit Beeinträchtigungen erfährt bereits in der Kindheit oder im Jugendalter sexuelle Gewalt, im Erwachsenenalter ist es jede dritte bis fünfte Frau.

"Wir möchten mit Hilfe von Gruppenangeboten, wie zum Beispiel Selbstsicherheitstraining oder auch Einzelberatungen für unsere Beschäftigten und deren Angehörigen, aufklären, bilden und vor allem sie stärken, um Gewalt in jeglicher Form vorzubeugen", sagte Janin Klockmann vom Psychologischen Dienst der Lebenshilfe. Wichtig ist dabei auch das Wissen darüber, dass es keine Schande ist, "Nein" zu sagen oder sich Hilfe zu holen.

Keinen Schutzraum für Täter zulassen

Zur Eröffnung der Wanderausstellung "Echt stark!" hatte daher die Lebenshilfe nach Hundisburg geladen. Bereitgestellt wurde sie von dem Institut für Gewaltprävention "Petze". Lebenshilfe-Geschäftsführer Bernd Schauder fand klare Worte zu der Thematik. "Gewalt ist immer ein unangenehmes Thema. Es beinhaltet aber Punkte, die dringend angesprochen werden müssen. Daher finde ich es `echt stark`, dass wir keinen Schutzraum für Täter lassen", sagte Schauder. Dafür wurden bereits im Vorfeld Vereinspersonen und Mitarbeiter der Werkstatt entsprechend geschult. Um das Gesagte zu bestärken, sangen acht Beschäftigte der Werkstatt "Das Lied vom Nein-Sagen", das von Ulf Winterfeld von der Musik- und Förderschule Musikus aus Haldensleben am Keyboard bekleidet wurde. Ein Vortrag zum Thema Prävention von sexueller Gewalt von Carina Walofsky des Vereins Wildwasser Magdeburg rundete das Angebot ab. Der Verein unterstützt die Lebenshilfe bei diesem Projekt.

Aber auch die Vorbereitungen für die derzeitige Ausstellung waren sehr intensiv. In der Arbeitsgruppe "gewaltfreies Miteinander" wurden kleine Boxen erstellt. Diese greifen die sechs Themen auf, die sich nun im Großen wiederfinden: Gute und schlechte Berührungen, der eigene Körper, Nein-Sagen, Hilfe holen, gute und schlechte Geheimnisse und den eigenen Gefühlen zu vertrauen.

Eine Ausstellung nicht nur zum Anfassen

Um das zu verdeutlichen ist die Ausstellung zum Ausprobieren angedacht. Es gibt einen Stuhl, der applaudiert, wenn sich jemand darauf setzt. Das soll das Selbstbewusstsein stärken. An einer anderen Station gibt es ein Gerät, das die Dezibel misst, wenn man laut "Nein" in die Box schreit. An einer anderen Station hängt ein dunkler Sorgen-Mantel, der beschwert wurde, so dass die Probleme "richtig" gefühlt werden. Gleich daneben hängt der viel leichtere und orangefarbene Freuden-Mantel.

"Es ist tatsächlich vieles `Gewalt`, was wir nicht unbedingt im ersten Moment als solches empfinden", erklärte Janin Klockmann. Zum Beispiel können das auch einfache Berührungen sein, die nicht einmal böse gemeint sind, oder wenn ungefragt das "Du" bei Beeinträchtigten verwendet wird. "Es geht hier einfach auch um das Selbstbestimmungsrecht", sagte Klockmann.

Die Ausstellung in Hundisburg ist noch bis zum 12. Juni für die Beschäftigten der Lebenshilfe aus Hundisburg, Seehausen, Bülstringen und Haldensleben geöffnet. Pro Tag werden etwa drei Gruppen von 10 bis 15 Personen das Angebot nutzen können, so dass nach den zwei Wochen rund 300 Menschen mit Behinderung über die Problematik "Gewalt" und wie sie sich selbst dagegen schützen können, noch besser aufgeklärt sind.