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Franziska Mühlenbrock aus Klietz feierte gestern ein seltenes Jubiläum Hundert Jahre und kein bisschen müde

Von Anke Schleusner-Reinfeldt 18.02.2014, 02:24

"Zu wem wollt ihr denn alle?" scherzte Franziska Mühlenbrock, als sie gestern von vielen Gratulanten am "Seeblick" herzlich empfangen wurde. Natürlich wollten alle zu ihr, um Glückwünsche zum 100. Geburtstag zu überbringen.

Klietz l Auch mit 100 Jahren ist die Klietzerin interessiert an allem, was in der großen weiten Welt und auch vor der Haustür passiert. Von der Politik hat sie die Nase voll. Wenn sie Nachrichten schaut, könnte sie sich über so manche Meldung richtig ärgern. Und dann schaltet sie um: An Naturfilmen kann sie sich erfreuen, an Volksmusiksendungen so und so, und Sport - sogar Boxen. Jetzt bei den Olympischen Spielen kommt auch keine Langeweile auf. Und wie geht es eigentlich mit den Grundschulen im Elbe-Havel-Land weiter? Das verfolgt die Seniorin beim täglichen Lesen der Volksstimme ganz genau, schneidet den ein oder anderen Beitrag auch für die zu Besuch kommenden Enkelkinder aus.

Zeit genug hat sie. Denn die Beine wollen nicht mehr so viel tragen, es reicht für das Bewegen mit dem Rollator in ihrer Neubauwohnung Am Ring. Seit 1993 wohnt sie hier. "Solange es auch so geht", denkt sie gar nicht daran, in ein Seniorenheim zu ziehen. Dreimal am Tag kommt der Pflegedienst, das Mittagessen wird gebracht und die im Ort lebenden Familien der Söhne von Ralf und Heinz kümmern sich. Tochter Marlies wohnt bei Bitterfeld und kommt so oft es geht zu Besuch. Deshalb freute Franziska Mühlenbrock sich auch, zu ihrem 100. Geburtstag alle um sich zu haben. "Ich wünsche mir, dass alle gesund bleiben - das ist das Wichtigste" sind für sie selbst keine Wünsche mehr offen geblieben.

Besuch aus der alten Heimat

Besonders freute sie sich über den Besuch aus der Heimat, von der sie schwärmt. Denn die Jubilarin stammt aus Niederösterreich, die Donau floss fast an der Haustür vorbei. Mit sechs Schwestern ist sie in Paudorf aufgewachsen, in der Schule schrieb sie nur Einsen. Doch Arbeit gab es kaum. Da stieß sie 1938 auf Werbung für Deutschland, wo für ein "Sprengstoffwerk bei Magdeburg" Arbeiter gesucht wurden. Zusammen mit zwei Freundinnen verabschiedete sie sich von der Familie, stieg in den Zug und landete in Klietz. "Hier bleibe ich nicht lange!" Doch! Die 24-Jährige ist eine von bis zu 3000 Beschäftigten der Fabrik. Anfangs leben sie zu Dritt in einem Zimmer in der Männerbaracke im Wald, später gab es auch Unterkünfte nur für Frauen am See. "Die Aufenthaltsräume waren schön. Und es war viel los - Kino und Tanz." Hier lernte sie auch ihren Mann Heinrich kennen, der zu den abgeordneten Arbeitern aus der Munitionsfabrik Haltern gehört. 1940 wird geheiratet, Töchterchen Marlies kommt auf die Welt. Heinrich muss in den Krieg, kommt verwundet 1944 heim. 1945 wird Heinz geboren, ein Jahr später Ralf. Die Nachkriegszeit ist hart und 1959 stirbt Franziska Mühlenbrocks Mann. Sie arbeitet in verschiedenen Konsumverkaufsstellen im Ort, viele Jahre in der Konsum-Bäckerei. Erst mit 67 Jahren geht sie in den Ruhestand.

Zu den schönen Geschenken, die die Jubilarin gestern bekam, gehört ein Foto von 1947, das Franziska Mühlenbrock und ihren Mann zeigt. Es war im Besitz von Nachbar Bernhard Prössel, dessen Eltern mit Mühlenbrocks befreundet waren. Er hat auch ausgerechnet, wieviele Sekunden die Hundertjährige schon auf der Welt ist: drei Milliarden, 155 Millionen...