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Herbert Kühne unternahm am Wochenende in Gladigau mit Freunden der altmärkischen Kleinbahn einen Ausflug in die Vergangenheit Eine kaiserliche Bratenplatte wechselt den Besitzer

Von Frank Schmarsow 01.10.2014, 01:08

Gladigau l Einen Ausflug in die Vergangenheit der Kleinbahn Osterburg-Deutsch-Pretzier unternahm der Gladigauer Eisenbahnfreund und Sammler Herbert Kühne am Wochenende mit vielen Interessierten auf seinem Grundstück, dem früheren Kleinbahnhof seines Heimatortes. Er hatte damit daran erinnert, dass die Kleinbahnstrecke vor 100 Jahren, am 14. Juli 1914, wenige Tage vor Beginn des 1. Weltkrieges eröffnet worden war und vor 40 Jahren die Personenbeförderung eingestellt hatte, zwei Jubiläen also, die auch mit Gladigaus Nahverkehrsgeschichte verbunden waren.

Schon vor dem einstigen Bahnhof, in dem der 68-Jährige seit 1970 lebt, wurden die Besucher mit eisenbahntypischen Geräuschen empfangen, wie das Anhalten und Abfahren dampfgetriebener Lokomotiven, Geläut an Bahnübergängen, Pfeifsignalen und mit Kommentaren zu den Loktypen. Auf seinem Grundstück hatte Herbert Kühne für Sitzgelegenheiten, Kaffee und Kuchen sowie andere Getränke gesorgt, so dass man nach der Führung durch die Ausstellung in aller Gemütlichkeit den Erläuterungen des Bahnfreaks folgen konnte. Unter den Gästen befand sich der Eisenbahnhistoriker Wolfgang List aus Stendal, der ebenfalls Einzelheiten aus der Kleinbahngeschichte beisteuerte. Kühne hatte für List ein besonderes Geschenk: eine große Bratenplatte aus dem kaiserlichen Ess-Service, auf dem wohl ein untranchierter Truthahn Platz gehabt hätte.

Es fanden sich auch eine Reihe von Zeitzeugen im Publikum, wie Eckhard Benecke aus Rossau, Rolf Kassebaum aus Wohlenberg, Kühnes Bruder Alwin und andere, die bereitwillig einige Erlebnisse humorvoll zum Besten gaben und die zeigten, wie heimatverbunden sie mit der kleinen Bahn, deren Personal und den Bahnhöfen waren. Wenn beispielsweise Stammpassagiere sich mal verspätet hatten, fuhr der Zug nicht eher los, bis diese an Bord waren. Die meist geringfügige Verspätung wurde unterwegs wieder aufgeholt. Eisenbahnromantik pur!

Zu den Besuchern gehörte auch Thomas Fenzl aus Schmersau, der mit seiner Familie im Nachbarort ebenfalls ein ehemaliges Bahnhofsgebäude bewohnt und das seit April 1990, wie er der Volksstimme berichtete. "Wir haben das zu keiner Zeit bereut", sagte er. "Das Haus hat seinen eigenen alten Charme behalten."

In einem Pavillon hatte Kühne eine kleine Fotoausstellung zur Bahnhofsgeschichte aufgebaut. Auf einigen Bildern wird das Anlegen eines Teiches in der Nähe des Bahnhofs dokumentiert. "Den haben wir gebaut", erinnerte Edda Bronowski. "Das war eine ABM in den 1990er Jahren."

Eine Ausstellung älterer Zweiradfahrzeuge am Rande, vom Fahrrad bis zum Motorrad, lenkte ebenfalls die Blicke der Besucher auf sich. Ein echter Hingucker war aber ein weiterer Oldtimer: ein rotes P 70-Coupé, Baujahr 1958, das Walter Schulz aus Gladigau gehört.

Rückblick auf ein Zugunglück

In Kühnes Ausstellungsräumen gab es neben Eisenbahn-Zubehör und -Personalausrüstung noch andere Dinge zu sehen, zum Beispiel ein Bericht aus der Volksstimme vom 17. März 2004, in dem Wolfgang List das Zugunglück von Gladigau vom 9. März 1940 nachvollzieht, bei dem der Lokführer Wilhelm Lindenberg aus Pretzier durch seine Geistesgegenwart 48 Passagieren das Leben rettete. Damals war die Eisenbahnbrücke über die Biese, bedingt durch Hochwasser und Treibeis, zusammengebrochen, gerade als sich der Zug in Richtung Schmersau befand.