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Der Fall einer jungen Briefwählerin wirft die Frage auf, ob die Stichwahl wirklich korrekt ablief Ratlose Helfer, unsichtbarer Kurier

Von Alexander Walter 21.03.2015, 02:20

Verlief die Stichwahl um das Salzwedeler Bürgermeisteramt am 8. März korrekt? Der Fall einer Studentin lässt daran zweifeln. Angesichts des knappen Wahlausgangs erhalten die Befürworter einer Überprüfung damit weitere Argumente.

Salzwedel l Rund um die Stichwahl für das Salzwedeler Bürgermeisteramt ist ein weiterer Fall bekannt geworden, in dem die Stimmabgabe zumindest mit Ungereimtheiten ablief.

Eine Studentin, die ihren Namen nicht nennen möchte, berichtete im Gespräch mit der Volksstimme, sie habe sich Briefwahlunterlagen zusenden lassen, sich dann aber spontan dazu entschlossen, für die Abstimmung nach Salzwedel zu kommen und ihre Stimme im Heimatlokal im Jahngymnasium abzugeben. "Dass das möglich ist, stand ausdrücklich auf dem Bogen, den ich mit den Briefwahlunterlagen bekommen habe", schilderte die junge Frau im Gespräch mit der Volksstimme.

"Sie wählen jetzt, dann kommt jemand, der die Unterlagen abholt." - Wahlhelferin der Stadt

Das übliche Prozedere wäre ihrer Meinung nach gewesen, dass ihre Briefwahlunterlagen im Heimatlokal eingezogen worden wären und sie stattdessen nur den Stimmzettel mit ihrem Kreuz ausfüllt, erklärte die junge Frau.

Als sie aber im Jahngymnasium ankam, hätten die ansonsten sehr hilfsbereiten Wahlhelferin nichts von der Regelung gewusst. Stattdessen sei sie nach einem Telefonat an das Briefwahllokal im Bürgercenter verwiesen worden.

Dort angekommen sei sie von zwei Frauen erneut zu zwei anderen Damen geschickt worden, erzählt die junge Frau. Diese wiederum erklärten: "Da hätten Sie eigentlich in ihrem Heimatlokal im Jahngymnasium wählen müssen."

Nach einigem Hin und Her habe man ihr dann doch zugestanden, per Briefwahl im Bürgercenter zu wählen und gesagt: "Sie wählen jetzt hier, es kommt dann gleich jemand, der die Unterlagen abholt."

Die Salzwedelerin machte also ihr Kreuz, unterschrieb die Briefwahlunterlagen, legte sie verschlossen auf einen Tisch, auf den die Damen sie verwiesen hatten - und ging. Obwohl ihr versichert worden sei, dass jemand die Unterlagen abholt, habe sie diese Person aber nie gesehen, betont die Studentin. Und so bleiben für sie gleich mehrere offene Fragen:

Ist ihre Stimme überhaupt je in der Briefwahlurne im Rathaus angekommen? Warum schienen gleich mehrere Wahlhelferinnen nicht über das Prozedere bei Briefwählern, die spontan im Heimatlokal wählen wollen, informiert? Und war ihre Stimme nach dem ganzen Hin und Her überhaupt gültig? Salzwedels Wahlleiter Matthias Holz kennt den Fall nur "gerüchteweise". Zu den offen gebliebenen Fragen erklärte er: Der verschlossene Briefumschlag der Wählerin sei seines Wissens per Kurier zur Auszählung der übrigen 1500 Briefwahlstimmen gebracht und auch gezählt worden. "Mit Sicherheit sind keine Zettel irgendwo liegengeblieben", betonte Holz. Auch ungültig sei die Stimme nicht. Denn: alle Briefwähler hatten am Wahlsonntag noch bis kurz vor 18 Uhr Zeit, ihre Unterlagen im Briefkasten am Rathaus einzuwerfen.

Ob die persönlich unterzeichneten Briefwahlunterlagen der jungen Wählerin aber tatsächlich bei der Auszählung angekommen sind, wollte Holz auf Nachfrage der Volksstimme nicht überprüfen lassen. "Da müsste sich die betreffende Person schon selbst an uns wenden", erklärte er.

Zum wahrgenommenen Hin und Her in diesem Fall sagte Holz: Mit den Unterlagen sei jedem Briefwähler neben den weiteren Unterlagen ein Stimmzettel zugesandt worden. Die Regeln sähen vor, dass mit diesem Stimmzettel auch die Abstimmung bei der spontanen Entscheidung direkt zu wählen erfolgen musste. Das Prozedere bei der Ausrichtung der Stichwahl sei den ehrenamtlichen Helfern im Übrigen bekannt gewesen. "Es gab vorher Schulungen" sagte Holz. Was genau sich im Fall der jungen Wählerin im Einzelnen ereignet hat, weiß der Wahlleiter nicht. Die geschilderten Ungereimtheiten hält er aber nicht für problematisch.

"Mir geht es nicht um den Vorwurf der Wahlmanipulation." - Betroffene Studentin

Für die junge Studentin ist der Fall damit trotzdem nicht einfach erledigt. Unter dem Strich bleibe ein dummes Bauchgefühl, sagte sie. "Mir geht es nicht darum, den Vorwurf einer Wahlmanipulation in den Raum zu stellen." Aber vieles sei ihr doch unprofessionell vorgekommen. "Ich will das einfach loswerden", sagt die junge Frau. "Vor allem, weil es am Ende ja so knapp war."

Für wen die Studentin abgestimmt hat, ist nicht bekannt. Nachdem aber im Wahllokal Pretzier zwei Wähler unrechtmäßig ihre Stimme abgegeben haben, und ein gehbehinderter Mann das Lokal im Jahngymnasium nur unter Schwierigkeiten erreichte, stehen mit dem aktuellen Fall bereits mindestens drei problematische Fälle zur Diskussion, die auch mindestens drei Stimmen ausmachen - im Zweifel exakt der Abstand, der Siegerin Sabine Blümel bei der Stichwahl von Amtinhaberin Sabine Danicke trennte.

Nachdem der Wahlausschuss die Gültigkeit des vorläufigen Endergebnisses bestätigt hat, hat Stadtrat Christian Franke (Bürgerbund/Grüne) angekündigt, Einspruch gegen das Ergebnis einzulegen. Nach Informationen der Volksstimme prüft wenigstens eine weitere Person einen Einspruch.

Damit es zu einer Überprüfung oder gar Neuwahl kommt, müsste der Stadtrat mindestens einem Einspruch zustimmen. Die Einspruchsfrist endet übrigens am Mittwoch, 25. März.