1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Fräulein Otto und die eingesperrten Hühner

Ehemalige Welsleber Schüler treffen sich nach 50 Jahren Schulabschluss / Fröhliche Runde mit vielen Geschichten Fräulein Otto und die eingesperrten Hühner

Von Ulrich Meinhard 09.09.2014, 03:23

50 Jahre nach ihrem Schulabschluss haben sich am Wochenende in Welsleben Schüler der damals ersten 10. Klasse getroffen. Es war eine fröhliche Runde.

Welsleben l Einschulungsfeiern gab es am vergangenen Sonnabend überall im Lande. Und aufgeregte Kinder und Eltern. In Welsleben trafen sich zwölf längst erwachsene Leute, sie hatten vor genau 60 Jahren ihren aufregenden Einschulungstag. "Wir waren die erste zehnte Klasse in Welsleben", berichtete Hans Sonnier gegenüber der Volksstimme. Er hatte gemeinsam mit Klaus Altendorf das Treffen organisiert.

Und es geriet zu einem höchst angenehmen Beisammensein mit vielen schönen Gesprächen und fröhlichen Erinnerungen. Zum Beispiel an die schuleigene Hühnerzucht in den 1950er Jahren. Es gab sogar eine Brutmaschine, aus der die Küken krabbelten. "Unser Direktor war ein Hühnerfreund", erinnert sich Hans Sonnier mit Heiterkeit. Vor allem beim Gedanken an Fräulein Otto muss er lächeln. Der damals jungen Lehrerin wollte die Klasse einmal einen Streich spielen. "Wir haben vier Hühner in den Bücherschrank gesperrt und hofften nun, dass sie sich erschreckt beim Öffnen", verrät Klaus Altendorf den Plan aus Kindertagen. Doch anstelle von Fräulein Otto kam der Direktor in den Klassenraum und hörte das aufgeregte Federvieh gackern. Das gab Ärger. "Vor ihm hatten wir alle Respekt", versichert Hans Sonnier.

"Natürlich haben wir auch Streiche ausgeheckt, wie alle anderen Kinder zu allen anderen Zeiten, haben zum Beispiel Obst geklaut", relativiert Klaus Altendorf. Er betont: "Aber das war alles im Rahmen. Es gab keine Zerstörungen von unserer Seite und ein Mobben, nein, das gab es auch nicht, ebensowenig Prügeleien untereinander. Wir haben allenfalls unsere Mädchen verteidigt." Das war irgendwie auch nötig, denn in der 10. Klasse saßen nur noch vier Mädels neben zwölf Jungs. "Wir sind 1954 mit 32 Kindern eingeschult worden. Im Laufe der Jahre zogen manche Familien weg, andere gingen nach der achten Klasse ab, um einen Beruf zu erlernen oder sind nach Biere umgeschult worden", erklärt Hans Sonnier den Schwund an Klassenkameraden. Ein Mädchen wurde sogar schwanger. Zum Abschluss 1964 bestand die Klasse jedenfalls nur noch aus 16 Schülern.

Und die Lehrer? "Wir haben viel gelernt. Auch außerschulisch. Es war das Fundament für unser Leben", meint Klaus Altendorf anerkennend. Es sei eine schöne Kinder- und Schulzeit gewesen, heben die beiden Herren ohne wenn und aber hervor. Die Notlagen in der Nachkriegszeit hätten dazu geführt, dass die Kinder bescheiden waren. "Wir haben uns jeden Nachmittag verabredet, waren fast immer draußen", verweist Hans Sonnier auf die Zeit ohne Playstation und unendliche TV-Programme. Alle haben die damals angesetzten Prüfungen gut bestanden. Beide freuen sich, dass aus sämtlichen Klassenkameraden "etwas geworden ist" und dass es noch heute einen unklomplizierten Kontakt untereinander gibt.

Das erste Klassentreffen in großer Runde gab es 1994, also nach 30 Jahren Schulabschluss. Seither folgen Treffen in einem fünfjährigen Rhythmus, das jüngste ging vor zwei Jahren über die Bühne. "Aber jetzt, nach 50 Jahren, wollten wir auf jeden Fall zusammenkommen", sagt Klaus Altendorf. Ihn hat es inzwischen an die Ostseeküste in Schleswig-Holstein verschlagen. Ein anderer Klassenkamerad kam aus Baden-Württemberg angereist.