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BUND plant großes Naturschutzprojekt / Vielfältige Pflanzen- und Tierarten / Kommunen werden informiert Ziel: Neues Leben für alten Elbarm

Von Daniel Wrüske 03.02.2011, 05:28

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Sachsen-Anhalt will der Alten Elbe zwischen Dornburg und Magdeburg wieder neues Leben einhauchen. Aus dem einstigen Flussbett ist ein Altwasser geworden, das zusehends verlandet. Viele Pflanzen- und Tierarten drohen dabei verloren zu gehen. Doch die BUND-Planungen sind nicht unumstritten.

Schönebeck. Rund 15 Kilometer Artenvielfalt bei Pflanzen und Tieren – das ist der alte Elbarm zwischen Dornburg und Magdeburg. Grund genug für viele Experten, dieses "Naturdenkmal" zu erhalten und mit neuem Leben zu erfüllen. Der BUND Sachsen-Anhalt hat dazu ein Projekt angeschoben: "Revitalisierung der Dornburger Alten Elbe" ist sein Titel. Ergebnisse von Untersuchungen des BUND und der Hochschule Magdeburg-Stendal machen die biologische Vielfalt beispielhaft deutlich. Im Jahr 2000 wurden allein 227 verschiedene Arten von Wirbellosen, also Schwämmen, Würmern und Schnecken, gezählt. "Der Vergleich mit dem Harz, der unumstritten als Naturschutzgebiet tituliert ist, macht deutlich, wie ausgeprägt die Diversität ist. Hier gibt es rund 60 bis 70 Arten Wirbellose", sagt Christian Kunz, Projektleiter für die Dornburger Alte Elbe beim BUND. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigen neuere Untersuchungen. 2007 wurden noch über 150 Wirbellose-Arten erfasst. Dazu viele Arten von Pflanzen, Vögeln und Fischen, die abhängig sind vom empfindlichen Ökosystem Altelbarm und hier ihren (Über-)Lebensraum gefunden haben. Christian Kunz: "Dieses System muss erhalten bleiben."

Dass der Elbarm sich verändert, hat viele Gründe. Im elften Jahrhundert hat sich der Fluss in Richtung Magdeburg und Schönebeck verlagert. Der Altarm entstand, war aber immer durch unterschiedliche Wasserstände mit dem Hauptfluss verbunden. Im ruhigeren Altwasser fanden junge Fische Aufwachsmöglichkeiten, "eine Art Kinderstube", nennt Christian Kunz das. Vögel hatten hier zudem Brut- und Pflanzen Entfaltungsplätze.

Durch Deichanlagenbau und die Einfassungen in anderen Bereichen deutschlandweit habe die Elbe keine Möglichkeit mehr, in ihre alten Flussbette auszuweichen. Der natürliche Prozess der Bildung von Altwässern – ihrem Entstehen, Verschwinden und Neuentstehen an anderer Stelle – sei dadurch kaum noch anzutreffen. So ist die Dornburger Alte Elbe der längste, zusammen erhaltene Altarm mit seinen typischen Naturerscheinungen. "Doch der neuzeitliche Bau von Hochwasserschutzdeichen und das Hochwasserschutzsystem mit Pretziener Wehr und Umflutkanal führte dazu, dass das alte Flussbett von der Elbe und der intakten Aue entkoppelt wurde", so Christian Kunz. In der Folge kommt es zu Verlandungen und Schlammablagerungen.

Massive Eingriffe sind notwendig

Dagegen will der BUND nun vorgehen. Sein Projekt ist auf rund zehn Jahre ausgelegt und wird nach ersten Schätzungen rund acht Millionen Euro kosten. Rund 550 000 Kubikmeter Schlamm müssen ausgebaggert und auf sogenannte Spülfelder verteilt werden. "Das ist technisch sehr schnell möglich", sagt Christian Kunz. Doch weil man die Natur so weit wie möglich schonen wolle, werden die Bauarbeiten in verschiedenen Abschnitten durchgeführt. Durch bereits jetzt bestehende Schüttdämme ist der alte Flussarm in sechs Abschnitte unterteilt. Diese würden, erklärt der BUND-Experte, so weit wie nötig ausgebaggert. Restzonen werden in jedem Feld belassen, die Wiederbelebung des "sanierten" Teils soll durch die Nachbarabschnitte erfolgen, so niemals zwei nebeneinander liegende Felder gleichzeitig entschlammt werden können. "Das alles braucht seine Zeit."

Außerdem sollen Schonstreifen entstehen, die bewirtschaftete Ackerfläche vom Gewässer trennen, so dass keine Nährstoffe mit dem empfindlichen Ökosystem Altarm in Berührung kommen.

Der dritte und umstrittenste Bauaspekt neben Entschlammung und Schon- streifen sind Wasserbauliche Maßnahmen. Für das Natur-areal wird Frischwasser gebraucht. Die Idee, aus der Elbe Wasser zu holen, birgt Probleme: Bei Niedrigwasser ist der Flusspegel dafür zu gering. Bei Hochwasser wäre es nach Ansicht des BUND fahrlässig, Wasser in die Dornburger Alte Elbe einzuleiten und damit die Grundwasserproblematik zu verschärfen. Außerdem müssten Deichanlagen bei Pretzien durchstoßen und mobil verschließbar gemacht werden, das Dornburger Siel müsste involviert werden. Da sind die Landwirte skeptisch.

Aktuell wird deshalb erörtert, die Entwässerung des Grundwasserleiters aus dem Gebiet Elbenau über den Elbenauer Landgraben zu optimieren. An der natürlichen Entwässerung des Gebietes über ein Auslassbauwerk am Hochwasserschutzdeich Kreuz- horst will der BUND aber festhalten.

Die Naturschützer stoßen derweil dabei noch auf Wiederstand. Vor allem die Bauern in der Region kritisieren das Projekt. Nicht nur, weil zum Teil Ackerflächen betroffen sind. Matthias Saudhof, Vorsitzender des Bauernverbandes Salzland, macht es grundsätzlicher: "Wir haben genügend Naturflächen, Auen und Biotope. Das Problem Flächenvernässung ist im Moment wichtiger. Hier müssten wir alle Kräfte aufbringen, um dem zu begegnen". sagt er auf Volksstimme-Nachfrage. Die Bauernverbände in Kreis und Land haben sich deshalb auf vielfältige Weise zum BUND-Projekt positioniert.

"Ein riesiger Meliorationsgraben"

Gestern fand ein Gespräch zwischen Kreisbauernschaft und BUND statt, um die gegenseitigen Argumente vorzutragen, Ängste zu nehmen und kursierende Gerüchte aus dem Weg zu räumen. Denn immer wieder ist von Dammaufbrüchen und Wasserumleitungen in Größenordnungen die Rede. Dazu von anfallenden Unterhaltungskosten.

In den ostelbischen Schönebecker Stadtteilen ist man nicht grundsätzlich verschlossen. Hier herrscht aber Skepsis, ob eigene Vorflutsysteme noch funktionieren, wenn die Alte Elbe belebt wird und wie alles finanziert werden soll.

Christian Kunz kann im Gespräch vieles entschärfen. Die Kosten wollen Bund, Land Sachsen-Anhalt und BUND sich teilen. Der Projektleiter ist der Überzeugung, dass durch einen entschlammten Altelbarm mit leichter Wasserführung der Grundwasserspiegel gesenkt werden könne. "Die Dornburger Alte Elbe ist dann so etwas wie ein riesiger Meliorationsgraben." Dadurch würde die Großwasserproblematik entschärft, Kosten würden minimiert und die Gewässerunterhaltung der Dornburger Alten Elbe würde sinken. Letzendlich müsse das alles in einem Planverfahren dargestellt werden.