1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Fast 500 Jungstörche aufgezogen

Bodeniederung bietet seit mehr als 56 Jahren ideale Bedingungen für Meister Adebar Fast 500 Jungstörche aufgezogen

15.05.2014, 01:18

Mittlerweile hat auch bei uns die aktuelle Brutsaison begonnen. Darüber sowie über die Erfahrungen der Vorjahre sprach Volksstimme-Redakteur René Kiel mit dem Storchexperten Klaus Lotzing aus Unseburg.

Volksstimme: Wie sieht die Situation im Augenblick aus?

Klaus Lotzing: An allen Horsten, bis auf den in Groß Börnicke, wurden bereits Störche beobachtet. In den meisten Horsten konnten Brutaktivitäten festgestellt werden, so dass die Hoffnung besteht, dass es vielleicht überall wieder zu Bruterfolgen kommt. Sollte es nicht zu irgendwelchen Wetterkapriolen, wie zum Beispiel lang anhaltende Starkregen in der ersten Phase der Brut- und Aufzuchtzeit oder Nahrungsmangel durch lang anhaltende Trockenperioden kommen, könnte as also wieder ein gutes "Storchenjahr" werden. Die Brutzeit der Weißstörche beginnt in Mitteleuropa in der Regel Mitte April/Anfang Mai, gelegentlich aber auch schon Anfang April. Die Brut beginnt mit der Ablage des ersten Eies. Daraus ergeben sich auch die unterschiedlichen Schlupftermine der Jungstörche. Die Eiablage erfolgt im Abstand von ca. 48 Stunden. Die Gelegegröße beträgt meist 4 - 5, gelegentlich auch 3 - 6 Eier. In sehr seltenen Fällen können es auch 7 Eier sein. Die Brutdauer beträgt im Allgemeinen 29 - 32 Tage und es findet jährlich nur eine Brut statt. Bei Gelegeverlusten kann es allerdings zu Nachgelegen kommen. An der Brut und der Jungenaufzucht beteiligen sich die beiden Partner zu annähernd gleichen Teilen.

Welche Bilanz können Sie für die Brutsaison 2013 ziehen?

Die Brutsaison 2013 war im Bereich der Bodeniederung des Altkreises Aschersleben-Staßfurt als durchschnittlich für die Bestandsentwicklung und das Brutgeschehen des Weißstorches einzuschätzen. In insgesamt sechs der acht bestehenden Weißstorchhorste im Bereich der Bodeniederung in Unseburg, Wolmirsleben, Tarthun, Athensleben, Hecklingen und Löderburg-Lust wurden von Weißstorchpaaren insgesamt 15 Jungstörche aufgezogen. Leer gingen Egeln und Groß Börnecke aus.

Wie sieht die Entwicklung im einzelnen aus?

Der Horst auf dem alten Schornstein der Heizungsanlage der Schule in Groß Börnecke wurde 2013 nicht besetzt. Allerdings wurde der Horst auch in diesem Jahr in unregelmäßigen Abständen von Weißstörchen in unterschiedlicher Anzahl besucht. Der Horst an der Ehle in Egeln wurde Mitte März von einem Brutpaar bezogen. Es wurden auch mehrfach Kopulationen beobachtet. Allerdings kam es wahrscheinlich zu keiner Eiablage. Gelegeverluste konnten nicht festgestellt werden. Ab Anfang Mai wurde der Horst dann von den Altstörchen nur noch sporadisch, hauptsächlich in den Abendstunden und in der Nacht aufgesucht. Die Bindung an den Horst ging jedoch nicht gänzlich verloren und blieb noch bis Anfang August 2013 bestehen. Danach wurden am Horst in Egeln keine Weißstörche mehr beobachtet.

Gibt es Neuansiedlungen zu verzeichnen?

Im Ortsteil Lust kam es 2013 zu einer erfolgreichen Neuansiedlung eines Weißstorchpaares. Auf einem nicht mehr genutzten Schornstein auf dem ehemaligen Gutshof errichtete erstmals wieder ein Weißstorchpaar einen Horst. Nachdem mehrmals Weißstörche vergeblich versucht hatten, auf dem Schornstein einen Horst anzulegen, wurde auf Initiative von Anwohnern mit Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr Löderburg, der an dieser Stelle recht herzlich gedankt sei, eine Horstunterlage errichtet. Darauf konnte ein Storchenpaar nunmehr erfolgreich einen Horst anlegen und 3 Jungstörche aufziehen. Die ersten Horststörche der Brutsaison 2013 wurden in Wolmirsleben am 8. März festgestellt. Eiabwürfe konnten in der Brutsaison 2013 nicht beobachtet werden. Auch Abwürfe von Jungstörchen oder sonstige Verluste während der Aufzucht bzw. bereits flügger Jungstörche wurden an keinem der Horste beobachtet.

Wie schätzen Sie rückwirkend die Ergebnisse der letzten Jahre ein?

Man kann davon ausgehen, dass der betrachtete Teil der Bodeniederung des Altkreises Aschersleben-Staßfurt unter den gegebenen ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten hinsichtlich seiner Habitatausstattung als optimal von Weißstörchen besiedelt anzusehen ist. Sowohl die Habitatstrukturen als auch das Nahrungsaufkommen sollten keine wesentliche Erhöhung des Bestandes zulassen. In Anbetracht des jeweils vorhandenen Habitatmosaiks in der Umgebung des jeweiligen Horstplatzes sind keine gravierenden Unterschiede festzustellen, gleichgültig ob hier Feuchtgrünland, Intensivgrünland oder Ackerland dominierend ist, so lange nur eine ausreichende Nahrungsgrundlage auf diesen Flächen gegeben bleibt. Das richtet sich jedoch hauptsächlich nach den angebauten Kulturen. Hochaufwachsende Mais- oder Rapskulturen stellen dabei die mit Abstand ungünstigsten Kulturen dar, da hier eine ausreichende Nahrungssuche nahezu ausgeschlossen ist. Dies trifft allerdings nicht nur für den Weißstorch zu, sondern auch für fast alle anderen, Grünland und Acker bewohnenden Vogelarten. Ganz anders sieht die Sache jedoch aus, wenn Habitatsveränderungen während der laufenden Brutperiode erfolgen. So wurden 1992 die Feuchtwiesen im Egelnschen Bruch während der Brutperiode umgebrochen. Als Reaktion darauf wurden die Jungstörche von den Alttieren wegen Nahrungsmangel aus dem Horst geworfen. Ähnliche Beobachtungen konnten in der Brutsaison 2000 in Wolmirsleben und nochmals in Egeln gemacht werden. Auch in diesen Jahren wurden wiederum Teile des westlichen Großen Bruches zwischen Wolmirsleben und Egeln aus der Grünlandnutzung in Ackernutzung überführt. In beiden Horsten erfolgte daraufhin durch die Altstörche eine Gelegereduktion. In beiden Horsten wurde im Jahre 2000 lediglich ein Jungstorch flügge.

Wie lange gibt es schon Störche in unserer Region?

Bei der Gründung des Landkreises Staßfurt im Jahre 1952 existierten keine Weißstorchhorste innerhalb des Gebietes der Bodeniederung. Und aus früheren Zeiten sind nur recht wenige Aussagen über die Besiedlung unserer Gegend zu finden. So ist in der Chronik des Dorfes Unseburg zu lesen, dass es um 1860 drei Storchenhorste im Dorf gab und viele andere Nester auf Pappelköpfen im Bruche am Rande des Dorfes errichtet waren. Damit war es aber nach der großen Boderegulierung und der damit verbundenen Entwässerung der Wiesen vorbei. Um 1925 gab es lediglich noch ein brütendes Storchenpaar in Unseburg. Für die Zeit nach 1930 sind außerdem noch Storchenhorste in Hecklingen, Gaensefurth und Athensleben bekannt. Die Neubesiedelung des Gebietes begann 1958 mit der ersten Brut eines Weißstorchpaares in Wolmirsleben. Alle Storchenhorste seit dieser Zeit waren in der näheren oder weiteren Umgebung der Bode-niederung errichtet, was mit der relativ hohen Grünland- und Feuchtgebietsanteil begründeten Nahrungsgrundlage zu erklären ist.

Welche Besonderheiten gibt es in der Bodeniederung?

Sie ist durch eine ganze Reihe von anthropogenen Veränderungen, welche in der Hauptsache mit dem früheren Braunkohlentiefbau in Zusammenhang stehen, geprägt. In dessen Folge ist es großflächig zu Veränderungen des Bodenreliefs gekommen, wodurch viele größere und kleinere Gewässer entstanden sind. Diese sind in vielen Fällen von den Feuchtwiesen in der Nähe des Bodelaufes umgeben.

Wie viele Horste hat es in den letzten Jahren bei uns gegeben?

Seit 1958 existierten 17 verschiedene Weißstorchhorste im Bereich der Bodeniederung, in welchen bisher 494 Jungstörche aufgezogen wurden.