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Zahl erreicht historischen Tiefstand Kirche kämpft um neue Konfirmanden

Von Tilman Treue 13.11.2009, 04:55

Nach der Jugendweihe rangiert die Konfirmation im Salzlandkreis seit Jahrzehnten auf dem zweiten Platz im Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter. Im Gegensatz zur ersten erfordert das kirchliche Angebot aber mehr Engagement. Die Volksstimme sprach mit einem Pfarrer.

Schönebeck / Staßfurt. " Ich hätte vielleicht auch Konfirmation gemacht, aber das habe ich mir zu spät überlegt ", erklärte eine Neuntklässlerin aus Calbe im Rückblick. Ob sie die einzige ist, weiß sie nicht, darüber hat sie mit ihren Freundinnen nicht gesprochen. Allenfalls am Ende der achten Klasse, wenn die Lehrer die berühmte Frage nach dem " du " oder " sie " stellen, kommt heraus, wer sich wofür entschieden hat.

Konkurrenz der

Freizeitangebote

In den meisten Fällen liegt die Entscheidung für Konfirmation oder Jugendweihe übrigens nicht mehr bei den Eltern. " Den klassischen Weg über Kinderstunde und Christenlehre in den Konfirmandenunterricht gibt es kaum noch ", hat Pfarrer Ulf Rödiger aus Aken im Salzlandkreis in den vergangenen Jahren beobachtet. Und wenn die Eltern ihre Kinder nicht mehr schicken, ist es noch schwieriger, sie für die Konfirmation zu interessieren oder überhaupt erst einmal darüber zu informieren.

" Gerade der Konfirmandenunterricht rangiert in der großen Konkurrenz an Freizeitangeboten relativ weit hinten ", gesteht der Pfarrer, hat aber die Erfahrung gemacht, dass es den Jugendlichen um so leichter fällt, je mehr Kumpel oder Mitschüler dabei sind. " Ich habe schon ein paar mal ein echtes Aha-Erlebnis bei den Konfirmanden erlebt. Sie gingen mitunter sogar in eine Klasse und wussten nicht, dass sie sich am Nachmittag zur Konfirmandenstunde treffen würden. " Offensichtlich ist gerade dieser Teil der Freizeit wohl kein Schulhofthema. Das ist wenig verwunderlich, leben doch die Jugendlichen in Sachsen-Anhalt bereits in der dritten oder vierten konfessionslosen Generation.

Die Akzeptanz für Religion ist dabei in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, der Weg zurück in die Kirche ist das aber noch lange nicht. Die Konfirmation samt den zwei Jahren Vorbereitung darauf, für viele Jugendliche ein unbekanntes Land.

Doch warum ist es wichtig, sich zwei Jahre auf den Übertritt in das Erwachsenenleben vorzubereiten ? " Die Konfirmation ist uns als Kirche viel zu viel Wert ", unterstreicht Ulf Rödiger, " es ist mehr als nur eine schöne Feier, und dahinter gehen wir nicht zurück. " Der Konfirmandenunterricht ist da freilich nur ein Baustein, aber ein wichtiger, denn zunächst sollen sich die Jugendlichen als eine eigene Gruppe begreifen und sich als solche innerhalb der Gemeinde profilieren.

" Das ist nur unter Zwang mit Gottesdienst-Kärtchen natürlich schwierig ", weiß der Pfarrer, der versucht, " den Jugendlichen Kirche als Raum für die Menschen erlebbar zu machen. " Weg also von der bloßen Wissensvermittlung, für die der Unterricht im öffentlichen Bild steht.

" Jahrhundertelang war die Vorbereitung auf die Konfirmation vor allem das Lernen des kleinen Katechismus von Luther und verschiedener Gebete und Lieder ", erklärt Pfarrer Rödiger. Erst in der DDR wandelte sich das Bild – Christenlehre und Konfirmation mussten quasi einen Grundlehrgang im Christentum liefern. Damit einher ging auch die Wandlung der Konfirmation vom Abschluss der Schulzeit und der Bestätigung des Glaubens hin zu einem bewussteren Bekenntnis zum Christentum.

" Nach der Wende fand sich der Konfirmandenunterricht dann in einer komplizierten Lage wieder. " Entscheidend dabei war die Einführung des Unterrichtsfaches Religion in der Schule, weshalb der informierende Aspekt wegfiel und eine religiöse Unterweisung kaum noch Sinn machte. " Dennoch ist es gut zu wissen, was Kirche eigentlich ist ", betont Rödiger und meint damit vor allem das Erfahren der Gemeinschaft.

Gerade die wird aber immer kleiner, und auch die Konfirmandenzahlen haben im vergangenen Jahr dramatische Tiefstände erreicht. So gab es 2009 selbst in Städten wie Barby oder Calbe zum ersten Mal seit Jahrhunderten keine Konfirmationen. Das liegt zum einen natürlich an der sinkenden Zahl Jugendlicher in diesem Alter, hat jedoch auch Rahmenprobleme.

Wozu brauchen

die Menschen Gott ?

" Das schwierigste an der Konfirmandenarbeit ist die Terminfindung ", weiß der Pfarrer, der es kaum noch wagt, an den früher üblichen wöchentlichen Unterricht zu denken. " Oft gestalten wir lieber Konfirmandenvormittage oder ganze Sonnabende ", führt er aus und meint mit " wir " seine Pfarrerkollegen der Region. Denn um überhaupt eine arbeitsfähige Gruppe zusammenzukriegen, müssen die Kirchengemeinden eng zusammen rücken. Höhepunkt ist dann die gemeinsame Fahrt zum Konfirmandentag nach Lutherstadt Wittenberg.

Wissenschaftlich wird an den Hochschulen übrigens seit einiger Zeit von " Konfirmandenarbeit " gesprochen und damit deutlich gemacht : Es geht nicht mehr um Unterricht und Auswendiglernen. Moderne Konzepte orientieren sich an der Lebenswelt der Jugendlichen und warten mit reichlich Technikeinsatz auf. Ein Modell ist das nach seinem Hauptdarsteller benannte " Holk-Projekt ", das die Jugendlichen mittels kurzen Filmen und ansprechendem Material mit auf die Suche nimmt, wozu die Menschen eigentlich Gott brauchen. Egal ob Fußballplatz oder Einkaufszentrum, die Szenen sind so offen, dass jeder etwas damit anfangen kann, ohne sich damit identifizieren zu müssen.

Ergänzt wird die Konfirmandenarbeit übrigens von Erwachsenenkursen, die je nach Voraussetzung als Tauf- oder Konfirmationskurse angelegt sind. Infos zu den Angeboten der evangelischen Kirche gibt es in den jeweiligen Pfarrämtern ( siehe oben ).