1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Staßfurt
  6. >
  7. Maulkorberlass oder eine legitime Vorgabe?

In Staßfurt dürfen Amtsleiter Anfragen von Stadträten nicht beantworten / Linke kritisiert / Volksstimme fragt nach Maulkorberlass oder eine legitime Vorgabe?

18.12.2012, 01:25

Anfragen von Stadträten sollen in Staßfurt nur noch über den Oberbürgermeister laufen. Die Amtsleiter sollen keine Auskunft mehr geben dürfen. Ist das ein Maulkorberlass oder eine legitime Vorgabe? Die Volksstimme fragt bei anderen Verwaltungen nach.

Salzlandkreis (rki, fro, el, tli, ner, fm) l Staßfurts Oberbürgermeister René Zok (parteilos) hat seine Fachämter angewiesen, gegenüber Stadträten keine Auskünfte mehr zu erteilen. Er stellte gestern noch einmal klar, dass es sich dabei nicht um einen "Maulkorberlass" handelt, wie Stadtrat Jochen Meyenberg (Fraktion Linke/offene Liste) behauptet hatte. "Das war keine Festlegung mit dem Ziel, dass Anfragen nicht mehr möglich sind. Das war eine Klarstellung, Bitte, beziehungsweise Erinnerung", so das Ortsoberhaupt. Ziel sei es, die Anfragen und Anregungen der Stadträte zu kanalisieren. Ansprechpartner für alle Probleme sei nun mal der Oberbürgermeister.

Zok griff damit eine Anweisung seines Vorgängers Martin Kriesel aus dem Jahr 2005 auf. Die Bediensteten sollten nur noch Auskunft erteilen dürfen, wenn er Kenntnis von den jeweiligen Anfragen hat. "Das ist auch damit begründet, dass es viele personenbezogene Daten gibt, die gesetzlich der Geheimhaltung unterliegen", so die Begründung des damaligen Rathauschefs.

Beim Stadtratsvorsitzenden Dr. Walter Blauwitz (Linke) stieß Zoks Ansinnen auf Kritik. "Das hat unser Missfallen gefunden. Jeder Stadtrat, der zur Stadtverwaltung geht, geht nicht umsonst dorthin, sondern aus Interesse, um für die Stadt etwas zu bewirken", sagte er in der jüngsten Ratssitzung, wo dieses Thema zur Sprache kam. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass durch den Rathauschef etwas gefiltert werden solle, so Dr. Blauwitz. "Ich möchte wissen, womit meine Verwaltung beschäftigt ist, aber nicht um Anfragen zu filtern", betonte Zok.

Seinen Worten zufolge können sich die Bürger bei Problemen oder mit Fragen weiterhin mündlich oder schriftlich an die Stadtverwaltung wenden oder die Einwohnerfragestunde der Stadtratssitzungen dafür nutzen.

Wie wird die Angelegenheit in anderen Städten gehandhabt? "Wir sehen das nicht so streng", erklärt der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Saale-Wipper, Steffen Globig. Bei schwerwiegenden Problemen wäre es allerdings besser für die Koordination, würde er als Verwaltungsleiter der Ansprechpartner sein. So habe man sich auch mit den Bürgermeistern der Mitgliedsgemeinden geeinigt. Globig könne dagegen die Konsequenz seines Staßfurter Amtskollegen gut verstehen, wenn man einen Stadtrat habe, der die Verwaltung permanent mit Fragen bombardiert.

In der Verwaltung der Verbandsgemeinde Egelner Mulde gibt es eine interne Regelung, dass alle Antworten auf Anfragen von Räten über den Tisch des Verbandsgemeindebürgermeisters Michael Stöhr gehen. "Ich muss schließlich wissen, was in der Verbandsgemeinde passiert. Ich bin als Bürgermeister auch Leiter der Verwaltung. Ich muss die entsprechenden Antworten auch verantworten", erklärt Michael Stöhr. Das bedeute allerdings nicht, dass sich die Räte mit ihren Anfragen nicht direkt an Mitarbeiter oder Amtsleiter wenden können. Einen "Maulkorberlass" gibt es also in der Egelner Mulde nicht. Der Verbandsgemeindebürgermeister wirft jedoch immer ein Auge auf die gegebenen Antworten. "Das ist gleichzeitig auch Mitarbeiterschutz. Es kann auch mal vorkommen, dass Anfragen an Mitarbeiter der Verwaltung getroffen werden, die nicht im Stoff stehen und später dann auf ihre Aussagen festgenagelt werden. Das möchte ich verhindern", so Stöhr weiter.

Gleiches gelte bei Bürgeranfragen. "Ich möchte gerne wissen, wo es brennt. Deshalb lasse ich mir gewisse Vorgänge immer vorlegen", erklärt der Verbandsgemeindebürgermeister weiter. Dieses Vorgehen sei ein ganz normaler Verwaltungsablauf.

Karin Knopf, Vize-Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde Barby, wundert sich über das Staßfurter Vorgehen: "Unsere Stadt- und Ortschaftsräte können sich jederzeit an die Amtsleiter mit ihren Fragen wenden." Davon werde rege Gebrauch gemacht, entweder schriftlich oder mündlich. Einige - es sind zumeist die Ortschaftsbürgermeister - kämen regelmäßig pro Woche einmal, um mit dem jeweiligen Ressort-Chef Dinge abzusprechen. Laut Karin Knopf wolle man damit nicht zuletzt das Arbeitspensum von Bürgermeister Jens Strube (parteilos) im Rahmen halten. Ähnlich sei es bei den Bürgeranfragen: "Die Leute kommen weniger zu den öffentlichen Sprechtagen, schicken dafür Briefe oder machen per Mail ihren Problemen Luft." Auch hier würden die Amtsleiter Antwort geben.

Hecklinges Bürgermeister Hans-Rüdiger Kosche (CDU) sagt: "Wenn die Anfragen in der Ratssitzung gestellt werden, gehen die ja ohnehin an mich." Er sei dabei, höre zu und kümmere sich um die Beantwortung. Auch sonst kämen die Anfragen auf seinen Tisch und er ziehe dann die Fachbereiche zu Hilfe.

In Schönebeck verweist Presseprecher Hans-Peter Wannewitz auf das Ratsbüro, das speziell bei Anfragen von Stadträten zur Verfügung stehe. Die Räte könnten sich aber selbstverständlich auch an die Fachämter wenden. "Das steht doch jedem frei", meint der Sprecher. Nicht viel anders sei die Regelung bei Fragen der Bürger. Sie könnten sowohl das Ratsbüro, als auch das Bürgerbüro nutzen. "Und wenn sie sich direkt an die Fachämter wenden, ist das auch in Ordnung. Es komme auf die Problematik der Fragen an", erläutert Wannewitz.