1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Für einen Tüftler ist alles lösbar

"Vater" der Klangsäulen Für einen Tüftler ist alles lösbar

Seine Naturklang-Lautsprecherboxen machten Heinz-Jürgen Augustin in den 90er Jahren bekannt. Mittlerweile wurde es stiller um den Storkauer, der das Tüfteln aber noch immer nicht aufgegeben hat.

Von Rudi-Michael Wienecke 07.06.2014, 03:13

Storkau l Sie haben also diese berühmten Lautsprecherboxen erfunden? "Nein, ich habe sie nur weiterentwickelt", winkt Heinz-Jürgen Augustin ab. Das Prinzip mit dem Kegel stamme bereits aus dem Jahr 1925. Zufällig fällt dem Tüftler in seiner Werkstatt, in der sich durchaus auch das chaotisch-kreative Comic-Genie Daniel Düsentrieb auf Anhieb zurechtfinden würde, eine Zeichnung aus jenem Jahr in die Hand. Tatsächlich: Bereits vor fast 90 Jahren hat da jemand was zu Papier gebracht, was den heutigen Klangsäulen verblüffend ähnlich sieht. Augustin, den der Bau des Kernkraftwerkes in Arneburg in die Altmark verschlagen hatte, griff dieses Prinzip "eben nur" Jahrzehnte später auf.

Vier Patente mit demselben Inhalt

Nachdem er im Februar 1991 Bergmann-Borsig verlassen hatte, gründete er die Firma "Signal Elbe". In Spitzenzeiten waren 13 Mitarbeiter damit beschäftigt, Funktechnik und Sicherheitstechnik zu projektieren und einzubauen. Tankstellen und Banken gehörten zu den Kunden. "Nach der Wende war damit eben Geld zu verdienen. Interessiert hatte mich das nie", schmunzelt der diplomierte Ingenieur. 1995 verkaufte er den Betrieb. "Auf das Geld warte ich heute noch."

Der gelernte Studiotechniker und studierte Elektroakustiker besann sich seiner Wurzeln, wollte fortan in Ruhe entwickeln. Allein im Zusammenhang mit den Naturklangboxen schafften es in der Folgezeit fünf seiner Erfindungen zur Patentreife. Ruhe hatte er allerdings nicht. "Ich musste Preise machen, verkaufen, mich um Material kümmern. Das hatte mich von meiner eigentlichen Arbeit abgehalten." Dazu kamen weitere Enttäuschungen durch Geschäftspartner. "Da habe ich viel Geld gelassen." Auch auf das Patentwesen ist er nicht gut zu sprechen und nennt seine Klangsäulen als Beispiel: "Da gibt es mittlerweile vier Patente mit demselben Inhalt, nur unter anderem Namen."

Den Stolz auf seine Entwicklungen hat Augustin allerdings nicht verloren. Erst am vergangenen Wochenende, im Zusammenhang mit der 805-Jahr-Feier in Storkau, kamen seine Klangsäulen, welche den Schall gleichmäßig im Raum verteilen, wieder zum Einsatz. "Da stehen die Leute neben dem Lautsprecher und können sich unterhalten. Versuchen Sie das mal bei üblichen Boxen ..."

Diese Klangqualität fand schnell Anhänger. Kaum ein öffentliches Gebäude der Altmark ist nicht mit den Klangsäulen ausgerüstet. Diese Lautsprecher beschallen fast alle Kirchen "zwischen Baden-Baden und Husum. Zu werben brauchten wir zum Schluss nicht mehr. Die Pastoren hatten uns untereinander weiterempfohlen."

Durch seine Entwicklungen lernte Augustin die Welt kennen. Er bereiste das komplette Europa, die USA, China, Kanada und Dubai. Seine Lautsprecher sorgen mittlerweile in Luxushotels, Königshäusern und selbst in einer Präsidenten-Datsche für Wohlklang. Namen darf der Storkauer nicht nennen. "Ich musste unterschreiben, dass wir damit nicht werben", schmunzelt er.

Kleine Erfindungen machen das Leben leichter

Aber auch außerhalb der hochtechnisierten Welt gibt es immer noch etwas zu erfinden. Es sind teilweise Kleinigkeiten, die das Leben leichter machen. Auch hier macht sich Augustin Gedanken. Für die Gierseilfähre in Sandau entwickelte er eine solarbetriebene Sicherheitsbeleuchtung, die selbst nach 14 Tagen ohne Sonne noch funktioniert. Das lästige Batteriewechseln hat für den Fährmann nun ein Ende. Eine Bioklärstufe für Kleinkläranlagen sei geistig schon fertig. Außerdem: "Würde ich jetzt noch mal ein Haus bauen, das ohne Fremdenergie auskommen soll, wüsste ich wie ..." Augustin erzählt von thermischen Kollektoren und Photovoltaik, welche die Südseite komplett ausfüllen, allerdings nicht außerhalb des Hauses, sondern innerhalb. Er erzählt von Rohren im Keller und in der Wand und von vielen kleinen Details, die es zu beachten gibt. Der Laie versteht nichts! "Wer sich dafür interessiert, dem mache ich das Konzept", verspricht der Tüftler.

Seine Ideen entwickelt er aus einem Problem, einer Fragestellung heraus. Wie bleiben Lebensmittel haltbar? Durch Vakuum! Prompt gibt es eine Dose, der mit einer Pumpe die Luft entzogen wird. Auf dem gleichen Prinzip basieren abnehmbare Saugnäpfe. "Die habe ich immer in der Tasche. Wenn ich die in einer Kneipe an die Wand mache und meine Jacke dranhänge, staunen die Leute nicht schlecht", lacht Augustin.

Mitte der 90er Jahre wollte seine Familie Hühner. Jeder andere hätte einen Stall gebaut, einen Auslauf eingezäunt und das Federvieh gekauft. Nicht Heinz-Jürgen Augustin. Er ging von einer Heizleistung pro Huhn von 50 Watt aus, baute einen fahrbaren Hühnerstall ringsum und meldete ihn als Patent an. Zur Marktreife kam es nicht. Es fand sich niemand, der bereit war, den Stall zu Baumarktpreisen in Serie zu bauen. Der Prototyp steht noch in Augustins Garten. Selbst Weihnachten legen fünf Hühner vier Eier.

Brillante Ideen machen nicht reich

Mittlerweile werden die verschiedensten Typen von fahrbaren Hühnerställen im Internet angeboten. Auch höhenverstellbare Sofas, eine weitere Konstruktion des Tüftlers. "Andere haben eben auch Ideen", begründet er.

Reich wurde der Storkauer mit den brillanten Ideen durch seine Erfindungen nicht. Mehrfach fiel er auf die Nase. Mittlerweile muss der 69-Jährige auch krankheitsbedingt etwas kürzer treten. Seine Werkstatt will er aufräumen, was nicht unbedingt gebraucht wird, kommt weg. Augustin versucht klarzumachen, dass er einen Schlussstrich ziehen will. "Die Rente kommt pünktlich."

Ist er verbittert? "Ach was! Könnte ich noch mal beginnen, würde ich nichts anders machen", sagt er zufrieden. Nun sei der Druck, Geld verdienen zu müssen, weg. Das sei ein gutes Gefühl. Und die Klangsäulen? "Wer eine haben möchte, dem besorge ich eine."

Außerdem geht das Tüfteln weiter. "Ich mache allerdings nur noch, was mir Spaß macht." Derzeit sei er an der Entwicklung eines E-Pianos für die Firma Blüthner aus Leipzig, einem der weltgrößten Pianobauer, beteiligt. Es gehe darum die Lautsprecher so zu verstecken, dass das Instrument anschließend wie ein echtes Klavier klingt. Auch alltäglichen Dingen, scheinbar unlösbaren kleinen Problemen gegenüber ist er offen. "Wer ein Problem sieht, kann gern zu mir kommen. Alles ist lösbar!"