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Kleingarten Laubenpieper-Glück ist junges Glück

Der klassische Laubenpieper ist meist schon im Rentenalter. Mit
jahrzehntelang vervollkommneten Handgriffen hält er sein grünes Paradies
in Schuss und genießt. Stefan Kroschel und Pauline Fischer passen nicht
in dieses Klischee, wohl aber in den Kleingarten, den das junge Paar
seit drei Monaten zu ihrem macht.

Von Egmar Gebert 01.07.2014, 03:27

Stendal l Pauline und Stefan, sie mit Nachnamen Fischer, er Kroschel, sind beide 24 Jahre jung. Seit mehr als zwei Jahren sind der Elektriker und die Fachangestellte einer Arztpraxis ein Paar, haben eine gemeinsame Wohnung und seit vier Monaten noch etwas gemeinsames: einen kleinen Garten am südöstlichen Stadtrand von Stendal.

Eine massive Laube steht darin, ein kleines Gewächshaus, Obstbäume, Beete und mittendrin ein Goldfischteich, von grünem Rasen eingerahmt. Unmittelbar daneben steht an diesem frühen Sommerabend eine Karre. Es ist nicht die erste und wird nicht die letzte sein, in der alles landet, was der Umgestaltung des jetzt schon recht ansehnlichen Fleckchens Kleingärtnerglück im Wege steht. Pauline hat konkrete Vorstellungen davon, wo Gemüse gedeihen, wo Blumen blühen sollen. Das kostet erst mal Schweiß. Aber den investieren sie und Stefan augenscheinlich gern.

Seit den etwa vier Monaten, die sie nun schon Pächter der Parzelle 54 im Blaukissenweg des Kleingartenverein "Hoher Kranz" sind, vergeht kaum ein Feierabend, kaum ein Wochenende, in dem man das junge Paar nicht in ihrem Garten antrifft. "Es ist nicht so, dass wir immer was machen, aber wir sind eben da", beschreibt Pauline die zweite, nicht minder schöne Seite des Kleingärtnerns -- die erholsame.

"Es ist schon was anderes, im eigenen Garten zu pflanzen und zu ernten." - Pauline Fischer

Um die werden Stefan und Pauline von Freunden beneidet. Nicht, dass jeder, der das Paar in seinem Garten besucht, die Einweihung mitgefeiert hat, mit dem Laubenpieper-Virus infiziert wäre. Aber überzeugt davon, dass der Garten für die beiden das richtige Hobby ist, sind inzwischen die meisten. Am größten sei das Erstaunen bei den Eltern gewesen, als sie von den kleingärtnerischen Ambitionen ihre Kinder erfuhren, sagen die beiden. Irgendwie sind sie ja auch selbst noch ein bisschen überrascht, dass sie so viel Spaß daran haben. "Es ist doch schon was anderes, im eigenen Garten zu pflanzen und zu ernten, als in dem von Mutti", gesteht Pauline.

Obwohl: Der Anstoß zum Kleingärtnern kam von Stefan. 2012 zogen die beiden nach Stendal. Die Wohnung ist schön, aber: "Ich hab mir vorgestellt: Da kommste dann jeden Abend um vier von der Arbeit nach Hause, und was machste dann? Immer nur vor der Glotze sitzen? Nee." Bei Pauline rannte er damit die sprichwörtlich offenen Türen ein. Beide sind auf dem Dorf aufgewachsen - er in Schinne, sie in Iden - , da gehörte der Garten wie selbstverständlich dazu. Was fehlt, merkt man oft erst, wenn es nicht mehr da ist.

Die Idee war geboren. Wie weiter? Internet. Wohl dem Kleingartenverein, der sich in dieser virtuellen Welt zu präsentieren weiß. Das potenzielle Kleingärtner-Nachwuchspaar blieb auf der Web-Seite vom "Hohen Kranz" hängen, las von freien Parzellen, fand Kontaktnummern, Ansprechpartner und stand wenige Tage später vor der Kleingartenanlage in der Heerener Straße.

"Als wir den Garten gesehen haben, wussten wir: Das ist unserer." - Stefan Kroschel

"Der erste Garten, den wir uns angesehen haben, sah aus wie ein Wald, nee, das war ein Wald", beschreibt Stefan und gibt zu, vor dieser Aufgabe doch ziemlichen Respekt gehabt zu haben. "Wir haben da noch was", lud sie der Mann vom "Hohen Kranz"-Vorstand ein, Garten Nummer zwei anzuschauen. "Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, nichts zu unterschreiben, wollten nur mal gucken. Aber als wir den Garten gesehen haben, wussten wir: Das ist unserer."

Was in jenem Moment noch Wunsch war, ist seit vier Monmaten Wirklichkeit. Ob Jahre daraus werden? Pauline und Stefan sind da ziemlich optimistisch. Und das nicht nur, weil sie sich in den vergangenen Wochen an Erdbeeren so richtig satt essen konnten, dank des grünen Daumens des Parzellenvorbesitzers.

Nein, vor allem, weil der Garten mit jedem neu angelegten Beet, jedem gerodeten alten Baum, jeder frisch gesetzten Rasenkante ein wenig mehr ihrer wurde. "Ich schätze, ein Jahr werden wir noch brauchen, bis der Garten so ist, wie wir ihn uns vorstellen", blickt Stefan voraus. Und ob die beiden ihren Garten dann wieder hergeben werden, das ist eher unwahrscheinlich. Warum auch.