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Entwurf für neues Landesgesetz strebt Umverteilung von unten nach oben an Kreistag kritisiert Ideen zum Finanzausgleich, der Gemeinden in die Schulden treiben würde

Von Egmar Gebert 03.11.2009, 05:55

Stendal. Die geplante Novellierung, also Änderung, des kommunalen Finanzausgleichsgesetzes ( FAG ) war eines der großen Themen auf der vergangenen Kreistagssitzung.

Das Bild vom nackten Mann, dem man nicht in die Tasche greifen kann, bemühte Landrat Jörg Hellmuth in diesem Zusammenhang zwar nicht, gepasst hätte es dennoch. Hellmuth sprach von einer " komplizierten und schwierigen Situation " angesichts der zur Verfügung stehenden " Finanzausgleichsmasse " und den " unterschiedlichen Interessen bei Land und Kommunen ", die es zu berücksichtigen gelte.

" Ich bin nicht

bereit, das

mitzutragen "

Dass die " nackten Männer " auf Seiten des Landkreises zu finden sind, war jedem im Sitzungssaal klar, der die desolate, sprich hoch defizitäre, Haushaltssituation des Landkreis kennt. Weil das so ist, gingen die Formulierungen in der " Empfehlung des Kreistags " zur FAG-Novelle, die Hellmuth als Beschlussvorschlag unterbereitete, einigen Kreistagsmitgliedern nicht weit genug. Dort wird die Situation des Landkreises als eine durch steigende Kostenbelastungen in den Bereichen Jugend, Soziales, Schule und Verkehr beschrieben. Rund 97 Prozent der Aufgaben, die der Landkreis zu erfüllen habe, seien Pflichtaufgaben, was den Spielraum für die sogenannten freiwilligen Aufgaben in sehr engen Grenzen hält. Die kreisliche Stellungnahme kommt zu dem Schluss, dass diese Aufgaben " für die Bürger im Kreisgebiet ohne eine angemessene Finanzausstattung nur noch stark eingeschränkt wahrgenommen " werden könnten.

Zwar " begrüßt " das kreisliche Papier in Sachen FAG die " Initiative der Landesregierung für ein neues Finanzausgleichsgesetz ", fordert aber eine sorgfältige Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen. Zuweisungen des Landes müssten künftig " aufgabenbezogen, ausreichend und auskömmlich

sein ", fasste es Landrat Hellmuth zusammen.

Kreistagsmitglied Nico Schulz ( CDU ), der für seine Partei auch im Landtag Sitz und Stimme hat, fand es zwar gut, dass der Kreistag Stellung bezieht, aber : " Diese Stellungnahme ist mir noch viel zu soft. " Ihm werden mit diesem Entwurf vor allem die Städte und Gemeinden finanziell zu sehr beschnitten. " Es ist eine Umverteilung von den Kommunen hoch auf die Ebene der Landkreise

geplant. Die Gemeinden

verlieren dadurch 30 Millionen Euro. 21 Millionen bekommt der Landkreis. Neun Millionen Euro bekommen die kreisfreien Städte, neun Millionen, die in die Oberzentren abfließen. Ich bin als Landtagsabgeordneter nicht bereit, das mitzutragen. " Dass Kürzungen der Finanzen nötig seien, sehe er ein, so Schulz, aber : " Die müssen verdammt noch mal gerecht sein. " Im höchsten Maße ungerecht sei es auch, wenn der Landkreis künftig 1, 3 Millionen Euro weniger an Zuweisungen bekäme und dadurch gezwungen werde, die Kreisumlage zu erhöhen, also den Kommunen noch mehr Geld abzuverlangen.

Etwas moderatere Töne schlug sein Kreistags- und Landtagskollege Tilman Tögel ( SPD ) an : " Kein Gesetz geht so aus dem Landtag raus, wie es als Entwurf reingeht ", sagte er und machte seine Forderungen auf, Kommunen wie Barleben oder Spergau in den " Speckgürteln " mehr für den Finanzausgleich heranzuziehen und : " Es kann nicht sein, dass der Saalkreis acht Millionen Euro mehr bekommt. Aber ich denke, da wird es eine Lösung geben. "

" Diese Vorlage ist

einfach nur

grottenschlecht "

Kreistagsmitglied Günter Rettig ( Die Linke ) nahm sich ebenfalls die kreisliche Stellungnahme zum FAG vor : " Diese Vorlage ist einfach nur grottenschlecht. Dort heißt es, der Kreistag des Landkreises Stendal begrüßt die Initiative der Landesregierung ... Dieser Satz ist glatter Hohn. Es kann doch nicht sein, dass ich etwas kritisiere und im selben Atemzug begrüße. Wenn diese Vorlage nicht überarbeitet wird, können wir uns als Kreistagsfraktion nur enthalten. "

Dr. Rudolf Opitz ( CDU ), der als Kreistagsmitglied und als Tangermünder Bürgermeister kommunalpolitische Verantwortung trägt, machte eine Beispielrechnung auf. Würde das Finanzausgleichsgesetz so novelliert wie geplant, bedeute das für die Stadt Tangermünde ein Minus von jährlich fast 800 000 Euro. " Wenn ich dann noch mitrechne,

was krisenbedingt an Einnahmen wegbrechen

könnte, dann kommen wir wohl auf über eine Million Euro minus. Wir sind stolz darauf, dass wir 19 Jahre einen ausgeglichenen Haushalt hatten. Das wird sich dann wohl für die nächsten 19 Jahre erledigt haben. Opitz hat allerdings nicht nur seine Stadt, sondern den gesamten Norden Sachsen-Anhalts im Blick : " Wird das FAG nicht noch einmal überrechnet, dann hängt die ganze Region nördlich des Mittellandkanals tief, tief im Minus. "

Der Kreistag blieb schlussendlich aber doch bei der " soft " formulierten Stellungnahme, die mit der Forderung schließt, den offenen Finanzbedarf des Landkreises nur soweit über die Kreisumlage abzudecken, dass " die Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen Gemeinden und deren finanzielle Mindestausstattung gewährleistet bleibt. " Mit Stimmenmehrheit und bei elf Stimmenthaltungen wurde das der Landesregierung bei der Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes empfohlen.