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Aktion zum Frauentag Sachse wandert für Kräuterfrauen 44 Kilometer

Hans-Jürgen Mittmann versteht sich als Botschafter des Deutschen
Wandertags, der im August im Harz stattfindet. Der Sachse wandert, um
seine Geschichte in die Welt zu tragen. Sie handelt von seinem
schwerbehinderten Sohn, von einer Kräuterkiepe und von der Hoffnung: Am
Frauentag erklimmt der 57-Jährige von Bad Harzburg über Wernigerode den
Brocken.

Von Julia Bruns 07.03.2014, 02:23

Wernigerode l Für Hans-Jürgen Mittmann ist der Brocken der "Berg der Berge". Der Schmied, der in Döbrichau in Sachsen zuhause ist, bricht am Freitag zu einer Reise in den Harz auf. Mehr als 44 Kilometer möchte er am morgigen Frauentag von Bad Harzburg aus über Wernigerode hinauf zum höchsten Harzgipfel zurücklegen.

Für den Dampflok-Fan Mittmann ist die Wanderung entlang des Bahnparallelwegs eine Art Mission. "Auf dem Rücken werde ich eine schwere Heilkräuterkiepe tragen, um an die Kräuterfrauen zu erinnern, denen einst auch in Wernigerode fälschlicherweise großes Unrecht angetan wurde", erklärt er gegenüber Volksstimme. "Seit meiner Kindheit beschäftige ich mich mit Heilkräutern und ihren Kräften. Leider ist durch die Inquisition vieles an Wissen verloren gegangen." Mittmann befürwortet die Rehabilitation der zum Tode verurteilten Männer und Frauen, wie sie die Düsselhexen unter Andreas Vogt nach wie vor fordern.

Am Sonnabend um 3 Uhr morgens bricht der Schmied in Bad Harzburg auf, um 8 Uhr wird er in Wernigerode einen ersten Zwischenstopp auf dem Marktplatz einlegen. "Ich möchte alle Wanderer einladen, mich zu begleiten. Sie können mir gerne Fragen zu Heilkräutern stellen." Um 15 Uhr möchte er den Brocken erreichen.

Hans-Jürgen Mittmann will die Harzreise auch nutzen, um Menschen, die von Schicksalsschlägen getroffen wurden, mit seiner ganz persönlichen Geschichte Mut zu machen. "Mein Vater starb 1973 mit nur 50Jahren an einem bösartigen Hirntumor, damals war ich 16 Jahre alt", erinnert er sich. Er selbst entrann dem Tod als 18-Jähriger nur knapp nach einem schweren Motorradunfall. Heute sorgt er sich um seinen Sohn Heiko, der an Epilepsie leidet. "Mein Sohn wurde im Januar 1987 mit fünf Jahren an einem bösartigen Hirntumor operiert", so Mittmann. "Ich hätte mir damals gewünscht, dass uns jemand ermutigt, weiterzukämpfen. Ich habe nach jedem Strohhalm gegriffen."

"Seit der Diagnose denke ich völlig anders über das Leben nach."

Damals kam der dreifache Familienvater auf die Idee, seinen Sohn parallel zur Operation, Chemotherapie und Bestrahlung mit Heilkräutern zu behandeln. Schon seine eigene Großmutter hatte Hans-Jürgen Mittmann in die Geheimnisse der Kräuter eingeweiht. "Der Arzt sagte, dass es zwar nicht helfen würden, ich es aber versuchen soll." Mit dem Gefühl, seinem Kind helfen zu können, begann er die Behandlung.

Heute ist sein Sohn 32Jahre alt und geht seinem Vater in der Werkstatt zur Hand - was medizinisch gesehen einem Wunder gleicht. "Heiko hat es geschafft. Seit der Diagnose denke ich anders über das Leben", sagt er.

Mit seiner Marathon-Wanderung zum Frauentag will Hans-Jürgen Mittmann gleichzeitig für den 114. Deutschen Wandertag werben. Er versteht sich dabei als Botschafter für die Veranstaltung, die vom 9. bis 16. August im Harz stattfindet. "Da muss man dabei gewesen sein", ist er überzeugt. "Und dabei denke ich auch an all jene, die nicht dabei sein können, weil sie nicht mehr so gut zu Fuß sind."