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Überreste eines mittelalterlichen Wehrturms in der Ringstraße entdeckt Bauleute stoßen auf Relikte aus Vergangenheit

Von Ivonne Sielaff 13.11.2012, 02:19

Bei den Bauarbeiten in der Ringstraße sind Überreste eines einstigen Wehrturms entdeckt worden. Das Bauwerk stammt aus dem 13. Jahrhundert und gehörte zur Stadtmauer, die Wernigerodes Altstadt umschloss.

Wernigerode l Seit mehr als 100Jahre schlummern sie unter der Erde - die Fundamente des einstigen Wehrturms in der Ringstraße. Bei deren Sanierung stießen Bauarbeiter auf Überreste des historischen Bauwerks. Archäologen aus Halle legten sie frei und untersuchten sie.

"Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um den Neuen Fangenturm", sagt Olaf Kürbis von Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege. Im Jahr 1495 sei der Turm erstmals erwähnt worden - als "Nigefangenturn". "So ist es auf einer Karte von Edmund Jakobs verzeichnet." Der Stadtplan stamme von 1908 und wurde von Jakobs auf der Grundlage einer Karte aus dem Jahr 1751 erstellt. "Er war einer der Wehrtürme der mittelalterlichen Stadtmauer", so Kürbis. Und die nördliche Häuserfront in der Ringstraße entspreche ungefähr deren Verlauf.

Die Mauer um die Wernige- röder Altstadt wurde im 13.Jahrhundert mit insgesamt 30Türmen errichtet. Das Bollwerk schützte die mittelalterliche Stadt vor feindlichen Übergriffen. Auffällig war die sogenannte Halbschalenform der Türme. Diese Bauweise war zu der Zeit in der Nordharzregion nicht unüblich, half sie doch dabei, die Baukosten niedrig zu halten. Zudem, so mutmaßen Historiker, nahm man so potenziellen Eroberern die Möglichkeit, ihre Waffen in geschlossenen Gebäuden zu lagern.

Tief graben mussten die Archäologen nicht, um das Fundament des "Neuen Fangenturms" zu bergen. Nur einen halben Meter unter der Straßendecke, gegenüber des heutigen Polizeirevierkommissariats, wurden sie fündig. "Anhand der Überreste konnten wir nachweisen, dass der Turm stadtauswärts halbrund aus der Mauer heraussprang", erklärt Olaf Kürbis. "Zur anderen Seite hin war er rechteckig geschlossen." Die HalbschalenBauweise sei also nur im oberen Teil des Turms umgesetzt worden.

Wehrturm wurde 1889 mit Dynamit gesprengt

"Aus alten Aufzeichnungen wissen wir, dass das Bauwerk am 14.September 1889 mit Dynamit gesprengt wurde", so der Experte. Alte Wernigeröder erzählten, er sei nahezu unbeschädigt umgestürzt, so fest war sein Gefüge. Der Turm fiel der Bebauung der Ringstraße zum Opfer. Ende des 19. Jahrhunderts war die militärische Bedeutung der Stadtmauer längst in den Hintergrund gerückt. Große Teile waren bereits verfallen und wurden nach und nach abgetragen.

Heute ist nur noch wenig von dem einstigen Bollwerk erhalten. Überreste der Mauer existieren noch im Südosten der Stadt, und ein inzwischen restaurierter Halbschalenturm steht am Vorwerk. Gleich gegenüber befinden sich Reste des ehemaligen Wallgrabens. Der Westerntorturm mit einer Höhe von 41Metern ist das letzte verbliebene von einst vier Stadttoren.

Übrigens: Eine Tafel an der Ecke Ringstraße/Albert-Bartels-Straße erinnert an den gesprengten Wehrturm. Die Fundamente des "Neuen Fangenturm" wurden inzwischen zugeschüttet und ruhen nun wieder unter der Erde.