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Kritik am neuen Verkehrsverbund: Schulen müssen mit Marego-Einführung für Klassenfahrten mehr bezahlen "Dann können wir uns das kneifen"

Von Ivar Lüthe 17.12.2010, 05:26

Die Einführung des neuen Marego-Verkehrsverbundes stößt vielen Schulen im Landkreis jetzt bitter auf. Denn einen sehr günstigen Gruppenspartarif, wie ihn die Bahn bislang anbot, gibt es so nicht mehr. Nun stehen Klassenausfahrten zum Theater oder in die Museen der Landeshauptstadt vor dem Aus, weil sie nicht mehr bezahlbar sind, kritisieren Lehrer. Das Lehrerkollegium des Förster-Gymnasiums in Haldensleben hat jetzt einen Brief an Kultusministerin Birgitta Wolff geschrieben, um eine Korrektur im Interesse der Kinder zu erreichen.

Landkreis Börde. Lehrerinnen des Haldensleber Professor-Friedrich-Förster-Gymnasiums traf es wie ein Schlag: Bereits Anfang November war bei der Bahn für 200 Schüler eine Gruppenfahrt nach Magdeburg angemeldet worden. Es sollte ins Theater gehen. Die Theaterkarten waren bereits gekauft. Am 6. Dezember, also gut eine Woche vor der Einführung des Verkehrsverbundes Marego am 12. Dezember, wollten die Lehrerinnen die Bahntickets bezahlen. Erst jetzt erfuhren sie, dass es ihren bisherigen Gruppen-spartarif gar nicht mehr gibt.

Bis zur Einführung der aktuellen Marego-Tarife hatten Schüler bis 14 Jahre über diesen Gruppenspartarif 2,60 Euro für die Hin- und Rückfahrt nach Magdeburg bezahlt. Ein den Lehrern angebotener Tarif der Marego war ein ermäßigtes "Vierer-Ticket" zum Preis von 11,90 Euro, also rund 3 Euro pro Kind. Allerdings: Hier wurde nur eine Fahrt gewertet, kritisierten die Lehrer. Nach dem alten Gruppentarif hätten die Schüler bisher 520 Euro bezahlt, die auch von den Eltern eingesammelt worden waren. Mit dem Vierer-Ticket waren nun aber 1190 Euro fällig. Ein Schock. Entsprechend mussten die Lehrerinnen von den Eltern noch mehr erbitten. In einem Fall fand sich glücklicherweise mit Dennis Hampel ein Haldensleber Busunternehmer, der kostengünstig eine Gruppe spontan nach Magdeburg fuhr.

"Das können wir den Eltern nicht aufbürden, noch mehr zu bezahlen"

Sylvia Bolle, Leiterin des Gymnasiums, kann angesichts der Marego-Tarife nur den Kopf schütteln: "Da können wir es uns zukünftig kneifen, solche Fahrten zu machen. Das können wir den Eltern gar nicht aufbürden, noch mehr zu bezahlen." Sie ärgere, dass der Wegfall des Gruppentarifes "so klammheimlich" passiert sei. Bisher habe das Gymnasium den Gruppentarif der Bahn rege genutzt, um mit den Schülern ins Theater zu fahren, Museen zu besuchen und vieles mehr. Das falle nun weg. "Ich nehme mal an, dass es künftig deutliche Rückgänge geben wird was Klassenfahrten betrifft", so Sylvia Bolle.

Die gleiche Überraschung erlebten auch Lehrerinnen anderer Schulen. So etwa die Lehrerinnen Anja Jokisch und Katrin Olschewski von der Pestalozzi-Schule in Haldensleben. Sie hatten für ihre Schüler eine Fahrt nach Magdeburg zum Weihnachtsmarkt geplant. Auch für sie kam der Schreck am Fahrkartenschalter. "Die Angliederung des Landkreises Börde an den Magdeburger Regionalverkehrsverbund stellt insbesondere für Schülergruppen einen enormen Rückschritt dar", so die Lehrerinnen. Gerade der Wegfall des Gruppenspartarifes bedeute für "Nur-Zug-Fahrer" eine Erhöhung der Kosten, die nicht mehr zu tragen sei.

Doch der Ausflug war nun mal geplant, also mussten die Eltern noch etwas tiefer in die Tasche greifen. Für die beiden Lehrerinnen ist zudem unverständlich: Die Fahrpreiserhöhung trifft für Zugfahrten in Richtung Wolfsburg nicht zu. Diese Strecke gehört nicht zum Verbund, dorthin gibt es also noch den Gruppenspartarif.

"Da hat wohl jemand die Schülergruppen vergessen"

"Also werden unsere nächsten Fahrten nicht nach Magdeburg, sondern nach Wolfsburg oder Braunschweig gehen! Der Bus wird auch wieder eine Alternative. Da hat wohl jemand bei der Planung die Schülergruppen vergessen!", meinten die beiden Lehrerinnen.

Ihre Kolleginnen vom Gymnasium haben nun einen Brief verfasst, der auf dem Dienstweg über das Landesverwaltungsamt an Kultusministerin Birgitta Wolff adressiert ist. Darin berichten sie über ihre missliche Lage: "Wir können nicht nachvollziehen, warum hier eine Preissteigerung von mehr als 100 Prozent zu Lasten aller Schüler in Sachsen-Anhalt vorgenommen wurde. Auch das Argument der Marego, dass die neuen Fahrscheine die Benutzung der Straßenbahn ermöglichen, überzeugt wenig, denn der Kauf von Theaterkarten für das Puppentheater beinhaltete für uns bereits den Erwerb von ermäßigten Straßenbahnfahrscheinen." Das Lehrerkollegium des Gymnasiums bittet die Ministerin im Namen aller Schüler Sachsen-Anhalts, hier "schnellstmöglich eine Änderung zu erwirken, denn wir sehen für die Zukunft große Probleme, Theaterbesuche, die ja Bestandteil der Rahmenrichtlinien des Faches Deutsch sind, überhaupt noch bezahlbar durchführen zu können."

Mit einem Preis von 2,60 Euro für Hin- und Rückfahrt wie im vorliegenden Fall könne Marego nicht mithalten, erklärte Marego-Geschäftsführer Bernd Adelmeyer auf Nachfrage der Volksstimme. "Das ist finanziell nicht darstellbar. Die Nahverkehrsgesellschaften können das nicht schultern. Hier muss man auch bedenken, dass der Gruppenspartarif nur die Nutzung der Bahn beinhaltete." Mit dem Marego-Ticket sei auch die Nutzung der Straßenbahn in Magdeburg möglich. "Mit dem Marego-Ticket sind sie außerdem viel flexibler, müssen sich nicht auf eine bestimmte Verbindung festlegen und nicht schon lange im Voraus buchen. Man kann fahren, wann man will."

Neben dem "Vierer-Ticket" gebe es auch noch das Sachsen-Anhalt-Ticket. Hier könnten fünf Personen zum Preis von 29 Euro fahren, also 5,80 Euro pro Person für Hin- und Rückfahrt. Auf die Frage nach einem möglichen Gruppentarif für Schulklassen erklärte der Geschäftsführer: "Man kann den Tarif nicht von heute auf morgen ändern. Man muss schauen, wie es angenommen wird und dann nachregeln. Wenn man merkt, dass es an der einen oder anderen Stelle Probleme gibt, dann muss man sich das anschauen und sich nochmals zusammensetzen." Alle Verbundpartner müssten das besprechen – und letztlich müsse es von der Genehmigungsbehörde genehmigt werden.