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Weshalb die DRK-Suchtberatungsstelle neuerdings viele jüngere Frauen mit Kindern berät Crystal Meth - Eine Droge junger Mütter?

Von Franziska Werner 14.02.2014, 02:18

Immer häufiger wird in den Medien über die Droge Crystal Meth berichtet. Wie stark die Substanz in Zerbst im Kommen ist, zeigt die Einrichtung einer Sondersprechstunde der DRK-Suchtberatung.

Zerbst l Ob es eventuell sein könne, dass Crystal blöd macht, wunderte sich ein Konsument dieser Droge einmal gegenüber Cornelia Pfeffer. Sie muss lachen, als sie die Geschichte erzählt, denn tatsächlich wirkt sich die Droge bei längerem Konsum negativ auf die intellektuellen Fähigkeiten aus. Und wer längere Zeit in der Suchtberatung tätig ist, lernt vermutlich irgendwann die Dinge mit Humor zu nehmen, wenn er sie schon nicht grundlegend ändern kann.

Cornelia Pfeffer ist Suchtberaterin beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Seit Beginn des Jahres ist bei der DRK-Suchtberatungsstelle am Dornburger Platz jeden Donnerstagnachmittag eine spezielle Sprechstunde. Offiziell ist es eine freie Sprechstunde, doch inoffiziell richtet sie sich insbesondere an Konsumenten der Droge Crystal Meth. "Wir stellen fest, dass viele Drogenkonsumenten neuerdings auf Crystal umsteigen", berichtet sie. Der Grund: Ein Crystal-Rausch hält länger an als beispielsweise ein von Heroin erzeugter Rausch. Außerdem sei Crystal vergleichsweise günstig zu bekommen.

Lili (Name geändert) war 21 Jahre alt und Studentin, als sie zum ersten Mal mit der Droge in Kontakt kam. Sie kommt aus guten Verhältnissen, der Vater Künstler, die Mutter Lehrerin. An der Uni hatte sie anfangs immer Schwierigkeiten, wenn es darum ging, Vorträge vor Publikum zu halten. Doch die Einnahme von Crystal Meth bewirkte eine Steigerung ihres Selbstbewusstseins. Als Lili 23 Jahre alt wurde, nahm sie Crystal jeden Tag und hätte in dieser Zeit am liebsten Vorträge am laufenden Band gehalten. So steht es in ihrem Sozialbericht, verfasst von Cornelia Pfeffer und ihrer Kollegin Iljana Kießling.

Den Donnerstagnachmittag in der Suchtberatungsstelle bestreiten die Frauen meist zusammen. "Lili wuchs überbehütet auf und ist heute optisch eine attraktive Frau", erzählt Iljana Kießling. Derzeit wartet Lili auf einen Therapieplatz in der Entzugsklinik Bernburg und wird bis dahin ambulant vom DRK betreut. Das Klischee vom vernachlässigten Kind, das irgendwann zu Drogen greift - im Fall von Lili sei das absolut nicht zutreffend. Crystal Meth-Konsumenten gingen auch oftmals einer geregelten Arbeit nach. Die Einnahme bewirke eine Leisterungssteigerung, erklären die Suchtberaterinnen.

Doch etwas ist sonderbar an der Droge Crystal Meth: Machen normalerweise junge Männer den Hauptanteil der Konsumenten einer Droge aus, scheinen insbesondere junge Mütter verstärkt zu Crystal Meth zu greifen. Zumindest sind sie es, die häufig in die Beratungsstelle des DRK kämen, weil sie nicht mehr vom Crystal lassen können. Warum sie ausgerechnet so viele junge Mütter beraten müssen, können die Frauen vom DRK nur vermuten: Crystal bewirke eine Steigerung des Sexualtriebs und wirke gleichzeitig enthemmend. "Auf Verhütung wird im Rausch weniger geachtet", so Cornelia Pfeffer. Ist das Kind dann auf der Welt, packe die Frauen das Verantwortungsbewusstsein und sie suchen Hilfe.

Das Ergebnis: In der Beratung müssen die Expertinnen sich inzwischen mit ganz anderen Fragen beschäftigen, als sie es bisher gewohnt waren. Zum Beispiel, ob man sein Kind mit in eine Therapie nehmen kann. Männer würden nun öfter Fragen nach Vaterschaftstests stellen, wer diese macht und wer sie gegebenenfalls finanziert.

Erfahrungswerte im Umgang mit Crystal Meth Konsumenten gibt es bisher wenige. "Besonders was den Langzeitkonsum betrifft, wissen wir noch nicht viel, dazu ist die Droge noch zu neu", sagt Cornelia Pfeffer. Das Klischeebild vom Crystal Meth-Junkie ohne Zähne und eingefallenen Wangen träfe jedenfalls nicht zu, sind sich die beiden Beraterinnen einig. "Diese Bilder kommen aus den USA und sind wohl eher Langzeitfolgen."

Eltern bliebe der Crystal Meth-Konsum ihrer Kinder oft lange verborgen. Handfeste Anzeichen für die Einnahme zeichnen sich erst mit der Zeit ab.