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Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Markus Seewald im Volksstimme-Interview Vegane Ernährung ist dauerhaft möglich

04.05.2015, 01:35

Fleisch, Milch und Eier bieten neben einer hohen Energiedichte auch wertvolle Nahrungsbestandteile. Ob eine vegane Ernährung dauerhaft zu einer Unterversorgung führen kann, fragte Redakteur Sebastian Siebert den Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Markus Seewald von der Hochschule Anhalt in Köthen.

Volksstimme: Ist vegane Ernährung dauerhaft möglich?

Seewald: Eine vegane Ernährung kann dauerhaft gut möglich sein, allerdings benötigen die Leute ein sehr gutes Ernährungswissen. Sie müssen wissen, was sie tun.

Worauf müssen Veganer achten?

Eisen, B12, Calcium und Eiweiß sind die Punkte, die immer diskutiert werden. Beim Eiweiß könnte man vor allem durch Erbsen, Bohnen und Soja eine gute Versorgung erhalten. Bei Calcium kann man auch was tun

Was genau?

Milch und Milchprodukte fallen ja bei veganer Ernährung als Calciumquelle aus. Da müsste man schauen, dass man Brokkoli und calciumreiche Mineralwässer aufnimmt. B12 könnte zu einem Problem werden.

Warum und was ist das eigentlich genau?

B12 ist ein Vitamin und wird für Blutbildung und Zellteilung benötigt. Es kommt vor allem in tierischen Produkten vor. Und in Fermentationen wie Sauerkraut zum Beispiel. Aber der Veganer kann ja nicht nur Sauerkraut essen, das macht ja auch keinen Spaß.

Was schlagen sie vor?

Von den wasserlöslichen Vitaminen ist B12 dasjenige, von dem wir einen relativ großen Speicher haben. Der reicht für etwa drei Jahre. Man kann dann auch B12 über ein Supplement hinzuführen.

Wo bekommen wir Eisen her?

Auch aus Pflanzen. Das Problem ist nur, dass pflanzliches Eisen schlechter resorbiert wird als das aus tierischen Produkten. Allerdings gibt es auch Anpassungserscheinungen. Gibt es wenig Eisen, kann der Organismus diese Resorptionsraten anpassen und für einen Ausgleich sorgen.

Wenn also auf diese vier Dinge geachtet wird, kann jeder sein Leben vegan gestalten?

Für normale Lebenssituationen bei uns, ist das möglich. Wenn man sich schon so einschränkt, sollte man in jedem Fall seine vegetarischen Lebensmittel spreizen. Also von vielen, vielen unterschiedlichen Dingen essen. Bloß nicht einseitig, das wäre ein echter Fehler.

Gibt es andere Gefahren?

Wenn Erkrankungen da sind, die konsumierend sind, also Körpersubstanz abbauen: Infektionskrankheiten, Tuberkulose, Aids und bei Krebs würde ich von veganer Ernährung abraten. Da braucht man hochwertige Eiweiße und die liefert nun mal das Fleisch.

Was ist mit Schwangerschaften und mit Kindern?

In der Schwangerschaft würde ich Probleme sehen. Es gibt sicher Veganerinnen, die es durchziehen, aber da kann man schon an Grenzen kommen. Bei Kindern würde ich es wirklich nicht machen. Das ist ein wachsender Organismus. Da werden besondere Anforderungen gestellt an manche Nährstoffe. Möglich wäre eine ovolaktovegetarische Ernährung, also mit Milchprodukten und Eiern.

Können Nahrungsergänzungsmittel dauerhaft eingesetzt werden?

Es gibt Situationen, da haben sie einen Sinn: bei hochbetagten Menschen, Leistungssportlern oder Kranke. Immer, wenn eine besonderer Bedarf da ist, kann das sinnvoll sein. Normalerweise sind sie nicht nötig. So lange man sich an die Dosierung hält, sehe ich keine Bedenken. Überhohe Dosen, besonders bei Mineralstoffen, sollten vermieden werden.

Nimmt man ab, wenn man vegan isst?

Meistens. Es fallen viele fettreiche Sachen weg: Wurst, Käse. Sie hat ja auch Vorteile: Man isst viele Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren und kein Cholesterin.