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Schließung der Magdeburger Rechtsmedizin Kriminalisten in Sorge: Wer findet die Spur des Verbrechens?

Von Hagen Eichler 25.10.2013, 03:11

Magdeburg l Eine Schließung der Rechtsmedizin in Magdeburg würde die Arbeit der Polizei beeinträchtigen - davon ist der Bund Deutscher Kriminalbeamter überzeugt. Sachsen-Anhalts Landesvorsitzender Hanno Schulz sagte, die Kriminalisten wünschten sich "deutlich mehr" Obduktionen und auch mehr Untersuchungen an lebenden Verbrechens-opfern. Eine Schließung des Magdeburger Instituts brächte lange Fahrwege und wäre kontraproduktiv.

Rechtsmediziner sezieren auf richterliche Anordnung Leichen, um die Todesursache festzustellen. "Das ist Verbrechensbekämpfung", betont Schulz. Wenn ein ungeübter Mediziner, etwa ein HNO-Spezialist, im Notdienst einen Totenschein ausstelle, könnten Hinweise auf Verbrechen verborgen bleiben. "Die Einstichstelle einer Kanüle wird schon mal übersehen", so Schulz.

Und auch am lebenden Opfer könnten Experten viele Details erkennen, etwa das Werkzeug, das eine Wunde verursacht hat. In diesen Fällen entscheidet die Polizei, ob ein Rechtsmediziner eingeschaltet wird. Eine Anfahrt etwa aus Salzwedel nach Halle statt nach Magdeburg bedeute für die Polizei deutlichen Mehraufwand, warnt Schulz: "Im einen oder anderen minderschweren Fall wird man davon wohl Abstand nehmen."

Auch Richter halten engen Kontakt zu den Experten für unumgänglich. "Das Opfer einer Körperverletzung muss schnell untersucht werden, damit Beweise unverfälscht und rechtssicher erhoben werden", sagt Markus Niester, Vorsitzender beim Bund der Richter und Staatsanwälte in Sachsen-Anhalt. Gift etwa könne sich in der Leiche abbauen. "Manchmal braucht man auch einen Gutachter, der spontan ins Gericht kommen kann - das geht dann in Magdeburg nicht mehr", warnt Niester, selbst Richter in Halle.

Ende November will die Magdeburger Uniklinik entscheiden, ob sie die Forensik aufgibt. Es wäre nicht der erste Fall in Deutschland - die Deutsche Gesellschaft für Rechtsmedizin klagt seit langem über Schließungen und unbesetzte Lehrstühle. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass jährlich 1200 Fälle von Mord und Totschlag nicht entdeckt werden.

Die Zahl der Obduktionen sinkt jedoch auch außerhalb der Rechtsmedizin. In den Krankenhäusern werden nur noch 1,5 Prozent der Leichen seziert, klagt der Deutsche Ärztetag. In der Schweiz sind es 20 Prozent. Kliniken zögern wegen der Kosten - und Angehörige geben ungern ihre Einwilligung. "Wir brauchen dringend mehr Obduktionen", fordert Dr. Rüdiger Schöning von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt. "Das ist nicht Leichenfledderei, sondern Wissenschaft."

Ein Schlag wäre die Schließung der Rechtsmedizin für die Lehre. "Wir hätten dann nur noch einen eingeschränkten Fächerkanon", sagt der Student Felix Mertin. Dabei haben die Rechtsmediziner an der Uni Magdeburg einen ausgezeichneten Ruf: Bei der Abstimmung über das beste Lehrangebot landen sie seit Jahren unter den besten fünf Fächern.