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Selbsternannter "König von Deutschland" hat 200 Untertanen und jede Menge Ärger am Hals. Wittenberg: Ein König mit wackeligem Thron

Peter Fitzek hat sein eigenes Königreich gegründet - inklusive Krankenkasse und einer Währung namens "Engel". Doch die Finanzaufsicht rüttelt mit einer Millionenforderung an seiner Krone, und die Staatsanwaltschaft bringt den Wittenberger womöglich in den Kerker.

Von Elisa Sowieja 10.12.2013, 02:12

Wittenberg l Warten auf die Audienz beim König. Ein Untertan im Anzug kopiert gerade meinen Presseausweis; das Anmeldeformular habe ich schon brav unterschrieben; und in einer kleinen Diskussion konnte ich gerade noch abwenden, dass ein zweiter Anzug-Untertan das anstehende Interview mitfilmt - als Absicherung gegen böswillige Redakteure. Das Prozedere hier ist aufwendiger als beim Magdeburg-Besuch von Joachim Gauck vergangenes Jahr. Aber es geht ja auch um ein Gespräch mit dem "König von Deutschland".

Während man so wartet, geht einem gleichnamiges Rio-Reiser-Lied einfach nicht aus dem Kopf: "Würd\' die Krone täglich wechseln, würde zweimal baden, die Lottozahlen eine Woche vorher sagen. Das alles und noch viel meeehr würd\' ich machen..." Doch während Rio seinen Text mit einem Augenzwinkern schrieb, meint Peter Fitzek seine Pläne ernst.

Im September 2012 hat sich der 48-Jährige vor ein paar hundert Leuten zum ersten "Souverän" eines neugegründeten Staates namens "Königreich Deutschland" krönen lassen. Mit Zepter und purpurfarbenem Mantel. Zuvor hatte er in einem Brief seinen Austritt aus der Bundesrepublik erklärt.

Zum Interview erscheint Fitzek ohne Blaublut-Accessoires, dafür aber in einem Hemd mit goldenem Fantasie-Wappen auf der Brust - dasselbe, das er auch auf seine Briefe druckt, die er dann mit "Peter Imperator Feduziar" unterschreibt. Ansonsten sieht er genauso aus, wie man sich einen Ex-Karatelehrer vorstellt: Die Haare zu einem dünnen Zopf gebunden, drahtiger Körper, durchdringender Blick. Das ist also der Wittenberger mit den Untertanen. Nach eigenen Angaben gibt es rund 200 dieser "Staatsbürger", teils auch außerhalb Sachsen-Anhalts. Jeder hat eine "Staatsbürger-Prüfung" abgelegt, samt Vorbereitungs-Seminar kostet das rund 400 Euro.

Mit der Begeisterung eines Teleshopping-Moderators erklärt der gelernte Koch, was er schon so erschaffen hat. Eine Währung zum Beispiel, den "Engel". Damit können seine Untertanen steuerfrei untereinander handeln. Fitzek deutet stolz aus dem Fenster: "Die Wurstbude da drüben akzeptiert ihn. Und der Naturkostladen nebenan auch." Im Internet hat er hunderte Firmen aus ganz Deutschland aufgelistet, bei denen man mit Engeln zahlen kann. Stichprobenhafte Anrufe zeigen: Die Firmen akzeptieren sie tatsächlich.

Ausgeteilt werden die kunterbunten Scheine in der "Königlichen Reichsbank", einem einstigen Esoterikladen in Wittenbergs Innenstadt. Pro Engel muss man Fitzek einen Euro überlassen. Außerdem legt er auf Wunsch Geld auf "Sparbüchern" an. Mit den Einnahmen finanziert er zum Beispiel sein "Staatsgebiet": ein altes Krankenhausgelände. Dort leben bisher aber nur seine 20 Mitarbeiter. Privat bereichern wolle er sich mit den Staatseinnahmen keinesfalls, beteuert der gebürtige Hallenser.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat zwar nichts gegen die Geld-Tauscherei, denn offiziell deklariert Fitzek die Engel als Kunstgegenstände. Das Sparbuch-Gebaren aber hat sie ihm verboten. Sprecher Sven Gebauer erklärt: "Da die Anleger hier ein Anrecht auf Rückzahlung haben, müssen solche Geschäfte von uns genehmigt werden." Fitzek ignoriert das Verbot der BaFin. Die fordert deshalb jetzt 900.000 Euro Zwangsgeld.

Dazu kommen 1,2 Millionen Euro wegen der Versicherungen, die der selbsternannte König gegründet hat: Krankenkasse, Renten- und Haftpflichtversicherung. Besonders die Krankenkasse ist ein lukratives Geschäft. Denn aufgenommen werden nur gesunde Menschen. Diskriminierend findet er das nicht. Denn wer krank ist, kann mit seiner DVD gesund werden, meint er. Auf der wird erklärt, wie man stressfrei lebt und gesund isst. Bei einer Asthmakranken hätte das schon funktioniert, sagt der Vollblut-Esoteriker.

Wann die Fristen zur Zwangsgeld-Zahlung auslaufen, darf die BaFin nicht sagen - in der Regel handelt es sich um mehrere Wochen. Klar ist aber: Wenn er das Geld nicht zahlt oder zumindest seine Geschäfte einstellt, droht ihm erst die Pfändung, dann Ersatzzwangshaft. Und damit nicht genug: Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verstoßes gegen das Kreditwesen- und das Versicherungsaufsichtsgesetz. Das Strafmaß reicht jeweils bis zu drei Jahren Haft bei Fahrlässigkeit, bei Vorsatz sind es bis zu fünf Jahre.

Abgesehen davon ist er bereits zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er mit einem selbstgebastelten Führerschein erwischt wurde. Doch Fitzek gibt sich entspannt. Einen Lappen von der BRD braucht er ja gar nicht, meint er. Aus diesem "Käsesystem" ist er doch ausgetreten. "Mein Plan ist, auch in zweiter Instanz zu verlieren", erzählt der Selfmade-Monarch. "Danach werde ich vor dem Oberlandesgericht gewinnen."

Einen Plan hat er auch für sein gesamtes Königreich - wenn es denn mal groß ist: Das Geld für Schulen, Theater und Co. wird nicht mit Steuern, sondern mit Staatsunternehmen verdient. Es gibt genug Arbeit für alle, weil jeder einfach weniger arbeitet. Und wenn das Geld knapp ist, wird neues gedruckt.

Bei Professor Ulrich Blum, Leiter des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik an der Hallenser Universität, fällt Fitzeks System glatt durch: "Für jedes Problem eine radikale Lösung: Das ist zwar eine nette Idee. Aber leider ist die Welt komplexer." Steuern seien notwendig, um Bereiche zu unterstützen, die nicht kostendeckend arbeiten können, wie Theater. Und Staatsbetriebe würden kein Geld einbringen, sondern es nur verschlingen - siehe DDR. "Denn in schlechten Zeiten wäre der öffentliche Druck zu groß, um Entlassungen durchzusetzen."

Auch von geteilter Arbeit hält er nichts. "Einfache Arbeiter kämen mit wenigen Stunden nicht über die Runden, weil ihr Stundenlohn niedrig ist. Angleichen sollte man den Lohn aber auch nicht, weil dann die Hochqualifizierten unmotiviert wären." Geld zu drucken, um zum Beispiel Schulen zu bauen, mache ebensowenig Sinn. "Es darf nur so viel Geld in Umlauf sein, wie es Gegenwerte gibt, sonst sinkt der Wert des Geldes. Eine Schule hat quasi keinen Gegenwert, weil man sie nicht einfach verkaufen kann."

Fitzek ist trotzdem davon überzeugt, dass sein System viel besser ist als das der Bundesrepublik. Schon deshalb, weil Deutschland so viele Zinsen für Kredite aus dem Ausland zahlt. Ihm kommen Darlehen aus der Ferne nicht ins Königreich. "Diese Vorstellung ist auf dem Niveau von Neandertalern", hält Blum dagegen. "Und selbst die haben sich mal vom Nachbarn einen halben Hasen geliehen."

Weil der bürgerliche König die BRD nicht einmal als Staat anerkennt - in seinen Augen hat sie keine gültige Verfassung - und offen sagt, dass er die Grenzen von 1937 zurück will, hat der Verfassungsschutz ein Auge auf ihn geworfen. Als Beobachtungsobjekt, so wie die NPD, ist er aber nicht eingestuft. "Wir wollen seine Unwichtigkeit nicht künstlich erhöhen", sagt Abteilungsleiter Jochen Hollmann. Er ist sich sicher: "Das Problem wird sich von selbst erledigen."

Fitzek sieht sein Ende als Monarch noch nicht. Beim Verabschieden drückt er mir einen Flyer in die Hand: Infos zur "Königlichen Universität". Die will er nächstes Jahr eröffnen.