1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Frühchen-Eltern brauchen Hilfe

Beratungsstelle der Uniklinik Magdeburg betreut frischgebackene Eltern Frühchen-Eltern brauchen Hilfe

Acht Prozent aller Neugeborenen kommen in Sachsen-Anhalt zu früh zur
Welt. In solchen Fällen ist nicht nur die medizinische Versorgung der
Kinder wichtig, sondern auch die Betreuung der Eltern.

Von Julia Blümel und Anne Strackeljan* 03.03.2014, 01:41

Magdeburg l Dezember 2012. Familie Schneider (Namen von der Redaktion geändert) bereitet sich voller Freude auf die Geburt ihrer Tochter vor. In drei Monaten ist es soweit. Bleibt also noch genug Zeit, um Kinderwagen, Wickeltisch und Teddybär zu kaufen.

Doch es kommt alles anders. In der 24. Schwangerschaftswoche wird Mutter Tine mit einer Schwangerschaftsvergiftung in die Universitätsfrauenklinik in Magdeburg eingeliefert. Die Ärzte entscheiden, das Baby umgehend auf die Welt zu holen. Den Eltern bleibt keine Vorbereitungszeit. Und auch keine Zeit zum Nachdenken: "Wir fragten uns nur: Schafft sie es?", erinnert sich Tine Schneider.

Das Schicksal der Schneiders teilt in Sachsen-Anhalt jedes 13. Elternpaar, das ist ein Prozent weniger als in anderen Bundesländern. Die frischgebackenen Eltern sind mit dieser Situation oft überfordert. Und dann sind in Magdeburg die Elternberaterin Claudia Strauch und die Psychologin Janine Heindorf zur Stelle.

"Frühchen-Eltern haben oft Hemmungen gegenüber ihren Kindern."

Seit 2006 ist die psychosoziale Elternberatung ein fester Bestandteil der Kinder- und Frauenklinik. Das Betreuungsangebot reicht von der vorgeburtlichen Beratung bis zur zweijährigen Nachsorge und ist individuell an die Bedürfnisse der Familie angepasst. Dazu zählen vor allem psychologische Gespräche. "Frühchen-Eltern haben oft Hemmungen gegenüber ihren Neugeborenen", erzählt Strauch. "Sie kennen ihr Kleines noch nicht, fürchten sich vor Fehlern und haben kein Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Das Ziel unserer Begleitung ist es, das zu ändern."

Ungefähr die Hälfte aller Frühchen-Eltern nimmt dieses Angebot in Anspruch, vor allem aber die Eltern, deren Kinder mit einem Geburtsgewicht unter 1600 Gramm zur Welt kommen. Diese Familien benötigen Beratung und kontinuierliche Betreuung, so auch Familie Schneider. Sie holte sich vor allem praktische Tipps. Claudia Strauch half bei der Wahl des geeigneten Therapeuten und Kinderarztes und lieh der Familie Ratgeber. Frank Schneider erinnert sich: "Wir hatten immer Angst, irgendetwas falsch zu machen. Ganz stark waren unsere Berührungsängste. Denn die Haut unserer Tochter war so dünn wie Papier!"

Dabei sei es sehr wichtig, dass Eltern so schnell wie möglich den Kontakt zu ihren Kindern aufnehmen würden, erklärt Psychologin Janine Heindorf. Der erste Schritt ist das sogenannte "kängurun". Mit dieser Übung begann auch Familie Schneider. Papa Frank legte sich dabei seine Tochter auf die Brust, sodass sie seine Wärme und seinen Herzschlag spüren konnte.

"Es mangelt an gut ausgebildeten Therapeuten für Frühchen."

Lara Schneider ist ein Ex-trem-Frühchen. Bei der Entbindung wog sie gerade einmal 400 Gramm. Damit ist sie das viertkleinste Frühchen Magdeburgs. Neugeborene wie Lara bilden die größte Kinderpatientengruppe in Deutschland. Doch die Probleme dieser kleinen Menschen fänden noch viel zu wenig Beachtung. Claudia Strauch kritisiert den Mangel an gut ausgebildeten Therapeuten. "Es wird leider auch zu wenig Anreiz geboten, das zu ändern. In Magdeburg ist die Lage zwar schon ganz gut, aber deutschlandweit muss noch einiges getan werden." Die Elternberaterin und Janine Heindorf wünschen sich, dass in Zukunft mehr Augenmerk auf dieses Problem gelenkt wird.

Heute ist Lara 13 Monate alt. Gehüllt in einen rosafarbenen Plüschstrampler liegt sie schlafend in ihrem Kinderwagen. Ein leises Schnarchen ist zu hören. Das Atmen fällt ihr noch immer schwer. Wegen einer Lungenkrankheit ist sie sehr anfällig für Erkältungsinfekte und andere Viren. Somit ist sie nie ganz stabil, die Sorge hält sich immer im Hinterkopf der Eltern.

"Ich denke immer, da kommt noch etwas. Sie ist viel zu klein und zu leicht. Viele Folgeschäden entdeckt man erst in späteren Jahren", so ihre Mutter. Dennoch versuchen Tine und Frank Schneider optimistisch in die Zukunft zu blicken. Und das gelingt ihnen vor allem durch die Betreuung von Claudia Strauch und Janine Heindorf.

(* Den Text haben Studenten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg im Rahmen eines von Volksstimme-Redakteuren betreuten Seminars geschrieben.)