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22 Einrichtungen suchen Fachkräfte Nachwuchsnöte: Land sucht echte "Baywatcher"

Der Mangel an Lehrstelleninteressenten im Land macht auch vor dem Land
selbst nicht halt. Sogar bei so feinen Berufen wie dem städtischen
Schwimmmeister fehlt es an Bewerbern.

09.07.2014, 01:28

Magdeburg l "Baywatch war gestern - heute suchen wir Dich!!!" Mit diesem Slogan auf Flugblättern wirbt die Landeshauptstadt Magdeburg um Schwimmmeister-Nachwuchs. Burschen wie David Hasselhoff sind Mangelware im Land von Reiner Haseloff.

Immerhin hat Sachsen-Anhalt junge Frauen wie Lisa Wilhein aus Magdeburg. Zweites Lehrjahr. Arbeitsbekleidung: weiße Shorts, schickes Poloshirt, Nike-Badelatschen. "Mir macht das super Spaß", sagt sie. Am meisten die Schwimmkurse mit den kleinen Kindern. Sport war ihr Lieblingsfach schon in der Schule. Handball, Judo. Und nun schwimmt sie von Berufs wegen.

Zehn Bewerber für fünf Plätze in Magdeburg

Vier große städtische Schwimmhallen hat Magdeburg. Nur zehn Bewerber für die fünf Ausbildungsplätze ab Herbst gab es. "Drei haben die praktische Prüfung nicht geschafft", erzählt Beate Hennicke, Bäder-Teamleiterin im Fachbereich des Amtes. Gut: Schwimmen sollte man schon können. Die praktische Prüfung: 100 Meter unter anderthalb Minuten. 25 Meter anschwimmen, dann aus drei bis fünf Metern einen Gegenstand hochtauchen und einen "Ertrinkenden" zum Beckenrand ziehen.

Die Aufgaben für Schwimmmeister im Beruf sind vielfältiger als "nur" schwimmen: Sie reichen von Aquagymnastik und Rettungsdienst bis zum Kassenwesen und Wartung der technischen Anlagen. Die eigene Fitness und der tägliche Sport gehört mit zum Job. So wie bei Schwimmmeister Raphael Thiele. Der macht das schon seit 20 Jahren.

Braun gebrannt ist er und drahtig. "Zweimal die Woche 2000 Meter schwimmen muss schon sein, um fit zu bleiben", erzählt er. Der Beruf habe auch seine schwierigen Seiten. "Vor zwei Wochen musste ich jemanden tot aus der Ostsee bergen. Aber auch in der Halle muss man aufpassen. Vor allem bei den ganz Kleinen, wenn die sich verschlucken und untertauchen. Das geht schnell", erzählt Thiele. "Früher war Schwimmmeister mal ein Traumberuf", sagt Jens Krüger, Chef des Magdeburger Sport- und Bäderamtes. "Aber mit den allgemeinen Rückgängen bei den Bewerberzahlen für Berufe auch im öffentlichen Dienst gibt es selbst in diesem Bereich zu wenig Interessenten." Dabei übernehmen die Städte und Gemeinden in der Regel alle ausgebildeten Schwimmmeister.

Es winkt ein Arbeitsvertrag im öffentlichen Dienst in Magdeburg, und selbst in städtischen Eigenbetrieben anderer Städte sei die Bezahlung an den öffentlichen Dienst angelehnt, so die zuständige Sachgebietsleiterin im Landesverwaltungsamt, Ines Willam. Einstiegsgehalt? "Im Durchschnitt 1400 Euro netto."

Drei Länder bilden in Wittenberg aus

Bei Ines Willam in der Landesbehörde laufen alle Schwimmmeister-Bewerbungen auf. "Nicht nur aus Sachsen-Anhalt. Wir bilden auch für Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aus", erzählt sie. 22 kommunale Schwimmbäder übernehmen im Land die praktische Ausbildung, die Theorie gibt es im Berufsschulzentrum der Lutherstadt Wittenberg.

"Noch Mitte der 1990er Jahre gab es dort drei Schwimmmeister-Klassen. Jetzt ist es noch eine Klasse mit 25 Schülern." Aktuell gibt es noch 15 Ausbildungsstellen zu besetzen. Woran liegt das, wenn es doch in 22 kommunalen Bädern genügend Jobs gibt? Ines Willam: "Ich wette, viele wissen überhaupt nicht, dass das ein eigener Ausbildungsberuf beim Land ist." Hinzu kommt: Vor allem in Mecklenburg seien viele kommunale Bäder zugunsten von Spaßbädern geschlossen worden. Diese privaten Bäder wiederum arbeiten häufig mit billigen Pauschalkräften. William: "In Mecklenburg haben wir inzwischen Schwierigkeiten, Bäder für die praktische Ausbildung zu finden."

In Sachsen-Anhalt und auch in Brandenburg sei das kein Problem. Dort werden die Stellen in der Regel mit ausgebildetem Fachpersonal besetzt. "Alle Absolventen aus dem aktuellen Jahrgang haben in Sachsen-Anhalt auch Arbeit gefunden", so Willam. Nicht als Saisonkräfte, sondern als fest angestellte Fachangestellte in den Bädern. Und die Sachbearbeiterin verweist auf ein Fachmagazin auf ihrem Schreibtisch: "Schauen Sie in den Anzeigenteil. In jedem Heft suchen kommunale Bäder aus Bayern oder Nordrhein-Westfalen nach Schwimmmeistern."

Beruf Pferdewirt vor allem bei Mädchen beliebt

Trotzdem. Schwimmmeister ist ja nicht für jeden die Erfüllung. Doch auch in anderen "exotischen Berufen" gebe es eher zu wenig als zu viele Bewerber, heißt es. Vielleicht etwas mit Pferden? Der Pferdewirt ist bei jungen Mädchen beliebt. Von aktuell 43 Auszubildenden beim Land sind 36 weiblich. Ausbildungsbetriebe des Landes gibt es zum Beispiel in Gardelegen, Oebisfelde-Weferlingen, Zerbst und Haldensleben.

Unter den zehn Fischwirten, die sich aktuell in der Ausbildung befinden, ist dagegen nur ein Mädchen. Das Land führt zehn anerkannte Ausbildungsbetriebe, darunter Forellenzuchtanlagen und Fischereien an der Saale und im Bodetal im Harz. Im Burgenlandkreis und im Saalekreis sind traditionell die Ausbildungsbetriebe der Winzer beheimatet. Elf Unternehmen bilden dort in der Kunst des Weinanbaus aus.

Schwimmen, reiten, angeln, Wein kosten ... Oder doch lieber auf die Jagd gehen? Selbst das geht - theoretisch. Auch Revierjäger stehen auf der Liste der Ausbildungsberufe des Landes. "Aber die werden nur nach Bedarf zum Einsatz in privaten oder landeseigenen Wäldern ausgebildet", erzählt Denise Vopel, Sprecherin vom Landesverwaltungsamt. Aktuell hat seitens der Waldbesitzer niemand in Sachsen-Anhalt Bedarf an Revierjägern angemeldet.