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Unwetter im Harz Mit jeder Stunde wird der Schlamm härter

Nach dem sintflutartigen Gewitterguss am Sonnabend in Ilsenburg, bei dem viele Keller, Straßen und Häuser geflutet worden waren, beginnt das Aufräumen. Es ist ein kräftezehrender Kampf gegen die Zeit, weil der austrocknende Schlamm immer härter wird.

28.07.2014, 05:28

Ilsenburg/Halberstadt l Klaus-Peter Garlip kämpft mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit, Erschöpfung und Resignation. Der 61-Jährige stützt sich auf seine Schaufel, hält kurz inne und winkt kopfschüttelnd ab. "So was habe ich noch nicht erlebt", sagt der Ilsenburger mit bebender Stimme. Seit 1974 wohne er hier direkt am Waldrand, seine Frau Roswitha noch länger. Schon oft hätten sie extreme Regengüsse erlebt. Aber noch nie seien solche Schlamm- und Geröllmassen den Hang runtergespült worden. Gegen die Folgen - drei völlig zugespülte Autos unmittelbar am Hang - kämpft das Ehepaar jetzt zusammen mit den Söhnen René und André.

Es ist ein Kampf gegen die Zeit. Alle vier wissen: Mit jeder Stunde wird das Gemisch aus Schlamm und Schotter härter. André Garlip lässt die Spitzhacke niedersausen und lockert das Gestein, das Bruder René für den Abtransport mit dem Radlader zur Seite schippt. Stadtmitarbeiter Torsten Hildebrandt dirigiert den Radlader und fährt den Dreck weg. Es gilt, die drei Autos so schnell wie möglich freizulegen.

Wie Garlips kämpfen an diesem Sonntag fast alle Ilsenburger gegen die Folgen der Flutwelle, die sich Sonnabendabend binnen kürzester Zeit aus den Bergen über die Stadt ergoss. Nachdem sich eine extreme Gewitterzelle mit 60 bis 80 Litern Regen pro Quadratmeter über der Stadt entladen hatte, suchte sich die rotbraune Welle ihren Weg talwärts.

Die Folgen sind bei vielen Anwohnern - beispielsweise in der Buchbergstraße - ähnlich: Die Brühe schießt an den Häusern vorbei die Straßen und Wege hinunter, mitunter nimmt sie auch den kürzesten Weg direkt durch die Gebäude. Oder sie flutet, wie bei Jens und Patricia Mertins, Tiefgarage und Ferienwohnung im Keller. Sein Auto hat Jens Mertins gerade noch so aus der Einfahrt zur Garage retten können - es wurde jedoch teilweise geflutet und springt nicht mehr an. Dank der Tauchpumpe der Nachbarn ist die Garage jetzt leer, dafür ist nun das wahre Ausmaß unübersehbar - Dreck und Schlamm überall. Die Einrichtung der Kellerwohnung ist reif für den Müll. "Wir hoffen, dass die Versicherung uns schnell grünes Licht gibt, um aufzuräumen", sagt Mertins.

Weiter unterhalb in der Straße sind die Anwohner bereits etwas weiter und bringen losgespülte Steine an die alte Stelle. "Es ist eine tolle Nachbarschaftshilfe", sagt Bürgermeister Denis Loeffke (CDU), der Krisenmanager vor Ort. Im Moment sei nicht viel mehr möglich, als den Dreck zum Abholen auf die Straße zu bringen.

Loeffke hat am Abend zuvor mit Kreisbrandmeister Kai-Uwe Lohse den Einsatz von Feuerwehr, THW und Rettungskräften gemanagt. Wenige Stunden später koordiniert er nun die Aufräumarbeiten.

Unterwegs ist Loeffke mit dem Chef des Nationalparks, Andreas Pusch. An Pusch machen viele Anwohner ihre Kritik fest. Seit die Hänge oberhalb der Stadt zum Nationalpark gehörten und die Natur hier wieder das Sagen habe, würden Gräben vernachlässigt, so der vielfache Tenor. Kritik, die Nationalparkchef Pusch zurückweist. "Am Sonnabend hat es ein katastrophales Ereignis gegeben, da wurde selbst aus den Gräben das Geröll rausgespült." Gleichwohl werde er nun mit Wegebaufachleuten schauen, ob es konkreten Handlungsbedarf gibt.