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Junge Medienmacher besuchen Volksstimme Ukrainer und Russen üben friedliche Streitkultur

Sie sind für drei Monate in Deutschland: 15 junge Leute aus Russland, der Ukraine, Aserbaidschan, Kirgistan und Usbekistan. Sie wollen Journalisten werden oder sind es schon. Sie eint der Wille zum Frieden in einer angespannten Region - und doch zeigen sich Gegensätze. Der Ukraine-Krieg hinterlässt Spuren.

Von Steffen Honig 15.08.2014, 03:13

Magdeburg l Die Sowjetunion ist seit mehr als 20 Jahren passé. In der Volksstimme-Redaktion sitzen weltoffene junge Leute, die perfekt Deutsch sprechen. Sie scheinen sich wenig aus nationalen Befindlichkeiten zu machen.

Doch dann entzündet sich die Kontroverse an der Frage, was die Jungjournalisten auf Exkursion in Magdeburg von der Putin-Idee einer euro-asiatischen Allianz von Ex-Sowjetrepubliken halten. "Gar nichts!", ruft Galina aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew spontan. Sofort verteidigt Sofia aus Moskau den russischen Präsidenten: "Ich halte zwar nicht so sehr viel von der Idee. Aber man kann ziemlich gut nachvollziehen, was Putin da versucht. Er will um sich herum politische Partner haben."

Das lässt die Ukrainerin Galina nicht so einfach stehen: "Er hat einfach vergessen zu fragen, was die Völker dieser Länder wollen!" Die Medienmacher um den Tisch finden aber in dieser Sache zum kleinsten gemeinsamen Nenner - mit einer Rückkehr zur Sowjetunion habe dies alles nichts zu tun. Leyla aus Südrussland hebt hingegen die Pluspunkte einer solchen Staatengemeinschaft hervor: "Wirtschaftlich ist es doch für alle Länder ein Vorteil, wenn sie einen gemeinsamen Markt haben." Die Gäste erweisen sich als gut informiert: Schließlich verhandelten EU und USA gerade auch über ein Freihandelsabkommen, betonen sie.

Selbst über eine Mauer wird diskutiert

Zwischen jungen Russen und Ukrainern ist der Graben augenscheinlich aber tief: Wie in der großen Politik auch, werfen sie der jeweils anderen Seite billige Propaganda vor. Die jungen Journalisten diskutieren erregt sogar über ein sehr deutsches Modell: Eine Mauer zwischen beiden Ländern, um den hochgepeitschten Konflikt zu bewältigen, könne es dann wohl doch nicht sein.

Mit aller Entschiedenheit wendet sich Margarita aus dem ukrainischen Dnepropetrowsk dagegen, das Problem mit Waffen zu lösen. Darin weiß sie sich mit den anderen in der Gruppe einig. "Das ist keine politische, sondern eine menschliche Botschaft", sagt etwa Ilja aus St.Petersburg in Russland.

Themenwechsel: Wie frei können sie in ihren Heimatländern arbeiten? Irina aus Moskau erklärt ohne jede Umschweife: "Es gibt bei uns in Russsland fast nur noch die staatlichen Medien, das ist sehr schade. 80 Prozent der Menschen beziehen ihre Infomationen aus dem staatlichen Fernsehen. Ich habe früher bei der unabhängigen Zeitung ,Streng geheim` gearbeitet, die gibt es nicht mehr."

Irina hat den Vorteil, sich eine eigene unabhängige Sichtweise fern von den Propaganda-Instrumenten des Kremls bewahren zu können: Sie arbeitet jetzt als Producerin im deutschen ARD-Studio in der russischen Hauptstadt.

Die Ukrainerin Viktoria, die für einen Online-Dienst tätig ist, berichtet von den Unterschieden vor und nach dem Umbruch vom Februar dieses Jahres in Kiew: "Zu den Zeiten von Präsdent Janukowitsch war es sehr kompliziert, als Journalist in der Ukraine zu arbeiten, man musste mit Drohungen leben. Jetzt ist die Presse relativ frei - es ist wirklich viel leichter geworden."

Deutsch führt eher ein Schattendasein

Da kann Mehrsprachigkeit hilfreich sein. Deutsch zu lernen, berichten die Jungjournalisten, sei dabei in ihren Ländern nicht selbstverständlich. Zuerst komme Englisch, dann Französisch und Spanisch.

Nach einigen Wochen in der Bundesrepublik haben die Gäste aus dem Osten ihre eigene Erfahrung mit dem deutschen Alltag sammeln können. Die hiesige Pünktlichkeit wird gelobt. "Aber das russische Essen ist besser", erklärt die Kirgisin Begimai und erntet den Beifall ihrer jungen Kollegen.

Dmitri aus dem russischen Rostow am Don lobt explizit die "entwickelte Presselandschaft", die es so bei ihm zu Hause nicht gebe. Er moniert jedoch, dass in Deutschland noch viel zu viel geraucht werde. Dann fragt er noch skeptisch: "Werden Sie das alles schreiben?" Natürlich. Wir sind ja nicht in Russland.