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Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck "Wer vor einer Islamisierung warnt, ist nicht ernst zu nehmen"

Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck über die Parolen der Pegida-Bewegung und die Unterbringung von Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt.

19.12.2014, 01:21

Magdeburg l Sachsen-Anhalt nimmt drei Prozent der Flüchtlinge auf, die in Deutschland Zuflucht suchen. Über die Situation der Asylsuchenden sprach Volksstimme-Reporter Dominik Bath mit der Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Susi Möbbeck (SPD).

Volksstimme: Mit wie vielen Flüchtlingen rechnet Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr?
Susi Möbbeck: Nach Prognosen des Bundes rechnen wir mit einer ähnlichen bis etwas höheren Zahl an Flüchtlingen wie in diesem Jahr, also für Sachsen-Anhalt 6000 bis 7000 Flüchtlinge.

Wie wollen Sie Konflikte mit der Bevölkerung vermeiden?
Wir müssen viel mehr miteinander reden. Wenn eine Kommune vor Ort Gemeinschaftsunterkünfte oder Wohnungen für Flüchtlinge einrichten will, ist sie in der Pflicht mit den Bürgern zu sprechen, sie aufzuklären und zu informieren. Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen und offen über Ängste zu sprechen.

Die kreisfreien Städte und Landkreise versuchen die Menschen vermehrt in Wohnungen unterzubringen. Welche Vorteile bestehen darin?
In einer eigenen Wohnung können Flüchtlinge ihren Alltag selbst gestalten und eigenständiger leben als in einer Gemeinschaftsunterkunft. Wenn die Asylbewerber in einem normalen Wohnquartier unterkommen, bieten sich bessere Möglichkeiten der Begegnung und des Kennenlernens.

Inwiefern sind Gemeinschaftsunterkünfte dabei hinderlich?
Die Heime für Flüchtlinge sind oft in Immobilien in isolierter Lage. Das ist für das Zusammenleben mit der einheimischen Bevölkerung nicht gut, und es schürt Vorurteile. Bei den derzeitigen Flüchtlingszahlen ist es kaum zu vermeiden, dass Menschen am Anfang in Gemeinschaftsunterkünften wohnen. Der entscheidende Punkt ist, dass der Übergang in die eigene Wohnung schneller als bisher vonstatten geht. Kommunen und Land müssen aber die soziale Begleitung sicherstellen. Wir werden im kommenden Jahr die Beratung von zugezogenen Flüchtlingen vor Ort verstärken können. Das ist wichtig, denn die Flüchtlinge kommen weitgehend ohne Orientierung in den Landkreisen und Städten an. Außerdem gibt es viel ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge vor Ort. Das werden wir ebenfalls noch besser unterstützen. Dafür sind im Haushalt zusätzliche Mittel vorgesehen.

In Dresden sind in dieser Woche 15000 Menschen auf die Straße gegangen, um gegen eine angeblich drohende Islamisierung des Abendlandes zu protestieren. Müssen wir Angst vor einer Überfremdung haben?
Wer ernsthaft in Ostdeutschland vor einer Islamisierung warnt, ist nicht ernst zu nehmen. In Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es zwei Prozent Ausländeranteil und einen noch geringeren Anteil an Muslimen. Die Organisatoren schüren sehr bewusst Ausländerfeindlichkeit und Hass. Viele Menschen, die auf diese Demos gehen, wollen eine grundlegende Unzufriedenheit zeigen. Es geht dabei um soziale Ängste. Aber kein Asylbewerber kann von den Leistungen, die er erhält, große Sprünge machen.

Die Bevölkerung in Sachsen-Anhalt schrumpft. Fachkräfte fehlen in vielen Berufen. Wie kann das Land von Flüchtlingen profitieren?
Besonders dann, wenn die Asylsuchenden von Anfang an Zugang zu unserem Arbeitsmarkt bekommen, wenn sie die Chance haben an Bildung teilzuhaben und sich zu qualifizieren. Wir sind ein Land mit einer demografisch rückläufigen Bevölkerung. Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind überwiegend junge Menschen und Kinder. Insofern liegt hier ein enormes Potenzial - für den Arbeitsmarkt und für unsere Gesellschaft.